Cupido #1
Körper. Dann putzte er sich mit ihrer Zahnbürste die Zähne und kontrollierte anschließend sorgfältig, ob sie auch wirklich sauber waren. Schließlich zog er sich die Maske wieder übers Gesicht und ging zurück ins stille Schlafzimmer.
Wie friedlich sie da auf den blutgetränkten Laken lag. Mit den geschlossenen Augen sah sie aus wie ein Engel. Er summte vor sich hin, während er in Jeans und T–Shirt schlüpfte, in seine Arbeiterstiefel stieg und sie mit einem Doppelknoten zuband. Sie hatte immer noch den Slip im Mund, doch jetzt gab sie keinen Ton mehr von sich, nicht einmal ein Wimmern. Seltsam, jetzt fehlte es ihm fast.
Er blies die weit heruntergebrannten Kerzen aus. Dann beugte er sich über ihr sie, küsste sie durch den Schlitz im Gummi auf die Wange und ließ seine Zunge ein letztes Mal über ihre weiche, salzige Haut gleiten.
«Bye–bye, Beany, meine Liebe. Meine wunderschöne Chloe. Was für eine Nacht!»
Auf dem Laken neben ihr lag die zerrissene Kette mit dem Herzanhänger. Er hob sie auf und steckte sie in die Hosentasche.
«Als Andenken an unsere gemeinsame Zeit.»
Er warf ihr noch eine Kusshand zu und zog leise die Schlafzimmertür hinter sich zu. Dann holte er die Nylontasche aus dem Bad und ging ein letztes Mal durch den kleinen Flur, an der Küche vorbei zum Wohnzimmer. Auf dem Sideboard sah er die kleine Jadefigur der drei weisen Affen, die sich Augen, Ohren und Mund zuhielten: nichts hören, nichts sehen, nichts sprechen. Ein Mitbringsel von der Asienreise ihrer Eltern, wie er wusste. Es hieß, dass die Affen Schutz und Glück in jedes Heim brachten, in dem sie willkommen waren. Nicht immer, dachte der Clown und lächelte. Daneben stand ein Foto von Chloe und ihrem Popper–Freund vor dem Empire State Building. Er ließ den Finger über das Bild gleiten; im Geist bewahrte er seinen eigenen Schnappschuss dieser besonderen Nacht auf.
Leise schob er das Wohnzimmerfenster auf und sprang in die Büsche hinunter. Das Immergrün triefte immer noch vor Nässe, obwohl das sintflutartige Gewitter längst weitergezogen war. Leise und unbemerkt verschwand der Clown in die Dämmerung, gerade als orangefarbene Streifen den Himmel aufzuschlitzen begannen und über den noch menschenleeren Straßen von New York City der Tag anbrach.
IO.
Marie Catherine Murphy stand vor dem Apartment Ib und wusste, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Es war schon zehn vor neun, Marie hatte sich verspätet, und ihre Freundin Chloe machte die Tür einfach nicht auf. An sich war es nichts Ungewöhnliches, dass Chloe verschlief, einer der Gründe für ihre dicke Freundschaft, aber sonst ging sie zumindest an die Tür. Zwar häufig noch im Schlafanzug, aber dafür mit einer unschlagbaren Entschuldigung sowie zwei großen Bechern heißem Kaffee und ein paar Stella–Dora–Schokokeksen. Seit drei Jahren hatten sie jetzt eine Fahrgemeinschaft zur Uni, und Marie konnte sich an kein einziges Mal erinnern, dass Chloe nicht aufgemacht oder auf sie gewartet hätte. Egal wie spät Marie gekommen war, um sie abzuholen.
Eine ältere Dame hatte sie ins Gebäude gelassen, und Marie klingelte mittlerweile mindestens seit fünf Minuten ununterbrochen Sturm. Sie wusste, dass Chloe und Michael gestern Abend ausgegangen waren, und zuerst dachte sie, dass Michael vielleicht bei Chloe war und sie beide verschlafen hätten. Bei dem Gedanken hielt Marie einen Moment inne, Hauptsache, Michael machte ihr nicht in Unterhosen die Tür auf. Kaffee hin oder her, auf diesen Anblick konnte Marie gut verzichten. Aber als sich nach fünf Minuten Klingeln immer noch nichts tat, wurde Marie langsam nervös. Sie versuchte durch Chloes Postschlitz zu spähen, aber er war entweder zugeklebt oder zugenagelt.
Marie ging wieder nach draußen und zündete sich eine Zigarette an. Oben, hinter seiner Fensterscheibe, sah sie Chloes sonderbaren Nachbarn, der in den Hof herunterstarrte, mit einem schwarzen Kaffeebecher in der Hand. Er war wirklich ekelhaft, so halb nackt mit seiner dicken Brille und dem unheimlichen Grinsen auf dem Gesicht. Marie bekam eine Gänsehaut. Sie sah, dass Chloes Vorhänge zugezogen und die Jalousien im Schlafzimmer geschlossen waren. Ihr Wagen stand nicht auf seinem Parkplatz, und auch Michaels BMW war nirgends zu sehen.
Keine Panik. Bestimmt ist alles in Ordnung.
Sie ging um das Backsteingebäude herum nach hinten, wo Chloes Küchenfenster war. Das Fenster war geschlossen, aber die Vorhänge waren auf. Marie
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