Cupido #1
klingt. Aber, C. J., ich will Ihnen sagen, wie beleidigend und unverschämt es von Ihnen ist, meine Integrität als Arzt anzuzweifeln und derartige Vermutungen zu hegen, ohne mit mir darüber gesprochen zu haben. Ich war in einer schwierigen Position, und ich tat das, was ich ethisch am ehesten vertreten konnte.
Ich bin hergekommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht und ob ich Ihnen irgendwie helfen kann. Aber das war wohl keine gute Idee. Als Arzt rate ich Ihnen dringend, die Therapie bei einem anderen Therapeuten fortzusetzen, denn die Zeichen eines bevorstehenden Zusammenbruchs sind überdeutlich.» Er stand auf.
Plötzlich schämte sie sich. Sie war völlig verwirrt und am Boden zerstört. «Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll», flüsterte sie. «Ich weiß nicht, was ich glauben darf, wem ich vertrauen kann. Alles löst sich auf, ich habe die Kontrolle verloren. Nichts ist mehr wirklich.
Ich weiß nicht mehr, was ich noch glauben soll, Dr. Chambers.» Wieder liefen ihr Tränen über das Gesicht, auch wenn sie gedacht hätte, es wären keine mehr übrig.
Doch es war zu spät. Sie hatte Dr. Chambers vor den Kopf gestoßen, die Worte waren raus, und sie konnte nichts mehr zurücknehmen. «Ich habe Sie davor gewarnt, den Fall zu übernehmen, C. J. Vielleicht hat der Mangel an Distanz Ihre Sicht auf die Dinge getrübt, auf die Menschen. Vielleicht haben Sie sich mit den Falschen zusammengetan, Bündnisse geschlossen, denen Sie jetzt nicht mehr trauen können. Man trifft unter Stress und Verwirrung keine guten Entscheidungen. »
«Dominick? Sprechen Sie von ihm?»
«Ich gebe Ihnen nur denselben Rat, den ich Ihnen schon vor Monaten gegeben habe. Abstand rückt die Dinge in die richtige Perspektive, und genau das scheint Ihnen im Moment zu fehlen. Setzen Sie die Therapie fort, dann erkennen Sie es selbst. Gute Nacht.»
Mit einem dumpfen Geräusch schloss er die Tür hinter sich, und dann war sie wieder allein im Büro.
Schluchzend vergrub sie das Gesicht in den Händen. Die Risse in der Fassade wurden tiefer. Alles, was sie sich seit zehn Jahren versucht hatte aufzubauen, drohte über ihr zusammenzustürzen.
Und so sah sie weder das Foto der einundzwanzigjährigen Studentin Julie LaTrianca, das hinter ihr über den Bildschirm flimmerte, noch hörte sie den Kommentar der unerträglich gut gelaunten Nachrichtensprecherin, die das Verschwinden der dunkelhaarigen Schönheit aus einer Bar in Fort Lauderdale als «mysteriös» bezeichnete.
83.
Zwanzig Minuten, nachdem Greg Chambers gegangen war, klingelte das Telefon. Zuerst ließ sie es klingeln, doch der Anrufer ließ nicht locker, und nach dem zehnten Klingeln wischte sie sich die Tränen vom Gesicht und nahm ab.
«Townsend, Staatsanwaltschaft.»
«C. J., ich bin's, Dominick.» Sie hörte jede Menge Polizeisirenen im Hintergrund, dazu lärmendes Stimmengewirr.
«Dominick, es passt gerade nicht besonders gut. Kann ich dich zurückrufen –»
«Nein, du kannst mich nicht zurückrufen. Und es passt gerade sehr gut, glaub mir. Wir haben sie gefunden, du musst sofort herkommen.»
«Was? Wovon redest du?»
«Ich bin in einem Wohnwagen, in einem Trailer–Park auf Key Largo, einen Katzensprung von der Route 1 entfernt. Das Ding gehörte Bantlings verstorbener Tante, einer gewissen Viola Traun. Wir haben die Herzen gefunden. Alle. Sie lagern in einer Kühltruhe in der Küche. Wir haben auch Fotos entdeckt, C. J. Tonnenweise Bilder von jedem Opfer, vor einem schwarzen Hintergrund, während sie auf diesem Metalltisch gefoltert werden. Manche sogar davon, wie sie getötet werden. Snuff Pictures. Könnte sich alles in Bantlings Schuppen abgespielt haben. Er hatte alles da.»
«Wie seid ihr darauf gekommen?» Das Herz schlug ihr bis zum Hals, die unterschiedlichsten Gefühle wallten in ihr auf, Erleichterung, Aufregung, Angst, Panik. Zu viele Emotionen auf einmal, die sie völlig überforderten.
«Ich bin auf eine richterliche Verfügung gestoßen, ausgestellt von einem Richter in Monroe County. Sie ist erst ein paar Wochen alt – daher konnten wir sie bei unseren ersten Überprüfungen auch nicht finden. Es geht um einen Verstoß gegen die Bürgerpflicht. Bantling hatte die Pflegschaft für seine Tante, als sie noch am Leben war. Und als er es versäumt hatte, innerhalb von sechzig Tagen nach ihrem Tod irgendwelchen bürokratischen Kram zu erledigen, hat der Richter diese Verfügung erlassen, anscheinend ohne zu merken, dass Bill Bantling eben
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