Cupido #1
gebeizten Eichentür markierten rote Ziegelsteine. Eine hohe weiße Mauer mit gusseisernem Tor verwehrte den Blick in den üppig wuchernden Garten hinter dem Haus. Dahinter ragte eine mächtige Zypresse auf, und eine an die sechs Meter hohe Fächerpalme beugte sich majestätisch herüber. Es war ein hübsches Haus in einer hübschen Wohngegend in Midbeach, dem Abschnitt zwischen dem eher reservierten North Miami Beach und dem schicken SoBe. Bevor die Pressehorden um acht Uhr heute Morgen hier eingefallen waren, hatten die Anwohner der LaGorce Avenue, gesittete Bürger der oberen Mittelschicht, wahrscheinlich nie weiter über ihren attraktiven, stets gut angezogenen Nachbarn nachgedacht. Jetzt war er plötzlich der Hauptverdächtige der heißesten Menschenjagd in Miami, seit Andrew Cunnanen Gianni Versace auf dem Ocean Drive in SoBe erschossen hatte.
Uniformierte Polizisten schwärmten wie Ameisen durchs ganze Haus. In der Einfahrt parkten die zwei weißen Kastenwagen der Spurensicherung. Mit Manny im Schlepptau lief Dominick den ordentlichen Gartenweg hinauf, vorbei an Kübeln mit leuchtend blühenden Bougainvilleen. Ein junger, höchstens zwanzigjähriger Cop aus Miami Beach stand nervös an der Haustür Wache; wahrscheinlich war ihm klar, dass jede seiner Bewegungen von den zwei Dutzend oder mehr Fernsehteams aufgenommen und live analysiert wurde, die auf der anderen Straßenseite hinter den Absperrungen der Polizei Position bezogen hatten. CNN brachte eine Live–Übertragung, ebenso MSNBC und Fox News. Dominick zeigte dem Cop seine Marke und stellte sich den Untertitel der Live–Nachrichten vor, der vermutlich genau in diesem Moment über eine Million Fernsehschirme lief: Beamte der Sonderkommission nähern sich dem Haus des mutmaßlichen Mörders auf der unerfreulichen Suche nach Körperteilen und anderen Beweismitteln.
Im Innern des Hauses wimmelte es von Technikern auf Spurensuche – mit Latex–behandschuhten Fingern tasteten sie jeden Quadratzentimeter von Bantlings Lebensraum ab, sie sammelten und verwahrten forensische Muster der alltäglichsten Dinge in einem Fall, der nun wirklich alles andere als das war. Jeder einzelne Gegenstand war potenzielles Beweismaterial, und von jedem Zentimeter des Haushalts wurde ein Stückchen sichergestellt, versiegelt und zur Untersuchung ins Labor geschickt.
Blitze flammten auf, während die Fotografen der Spurensicherung jedes Zimmer des Hauses aus jedem denkbaren Winkel fotografierten. Feiner schwarzer Puder bedeckte jede Oberfläche, auf der ein Fingerabdruck zu finden sein könnte, und auch manche, auf denen das unmöglich war. Im Wohnzimmer war bereits ein großes Stück aus dem teuer aussehenden Berberteppich geschnitten worden, und aus der senfgelben, mit Schwammtechnik getünchten Wand wurde ein 60 mal 60 cm großes Stück herausgesägt. Der Orientteppich aus dem Eingangsbereich und der türkische Läufer im Flur waren schon am Morgen, als die ersten Ermittler ankamen, als Beweismaterial aufgerollt und eingepackt worden. Der Inhalt jedes Papierkorbs im Haus, Staubsaugerbeutel, Besen und Wischmopps, Staubwedel, das Flusensieb aus dem Trockner – alles wurde vorsichtig in die weißen Plastiktüten der Spurensicherung verpackt und im vorderen Flur gesammelt, von wo es in die Kastenwagen gebracht wurde.
In der Küche arbeiteten die Techniker daran, den Siphon der Spüle auszubauen, und das würden sie anschließend an jedem Waschbecken im Haus tun. Miami Beach Detectives waren dabei, gefrorenes Fleisch aus dem Tiefkühlschrank in transparente Asservatensäcke zu packen. Ein ganzes Set rasiermesserscharfer Sabatier–Küchenmesser und Steakmesser war einzeln verpackt und versiegelt worden. Im Labor würden die Siphons auf Blut– und Gewebespuren untersucht werden, die jemand vielleicht versucht hatte abzuwaschen. Das Fleisch würde aufgetaut und analysiert werden, um auszuschließen, dass es sich um Menschenfleisch handelte. Die Messer würden man darauf überprüfen, ob sie die Schnitte in Anna Prados Brust verursacht haben konnten.
Im oberen Stockwerk war bereits jedes Bett abgezogen und das Bettzeug asserviert worden, Wäsche und Handtücher aus den Schränken waren ordentlich in große schwarze Plastiksäcke gesteckt worden, die jetzt im Flur aufgereiht waren. Der unangenehm scharfe Geruch von Luminol kam aus der geschlossenen Tür des Gästezimmers, wo die Experten die Chemikalie gerade auf die rustikal verputzten Wände und die Edelholzdielen gesprüht
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