Cupido #1
seine Zwangsvorstellung um. Und mit jedem Verbrechen, das er begeht, ohne erwischt zu werden, wird er mutiger, Hemmschwellen verschwinden, und der nächste Grad ist umso leichter. Serienvergewaltiger hören nicht auf, bis sie aufgehalten werden. Durch Gefängnis, ein körperliches Gebrechen oder durch den Tod.
Bantling passte ins klassische Profil des Serienvergewaltigers. Offensichtlich war er auch ein Sadist, er zog Lust daraus, anderen Schmerz zuzufügen. C. J. dachte wieder an die stürmische Gewitternacht vor zwölf Jahren. Er hatte alles perfekt geplant, von Anfang bis zum Ende, hatte sogar eine Tasche mit «Spielzeug» gepackt, um seine Fantasien auszuleben. Sie zu vergewaltigen hatte ihm nicht gereicht. Er hatte sie foltern müssen, sie quälen, ihr auf jede mögliche Art Gewalt antun. Ihre Schmerzen hatten ihn sexuell erregt, aufgegeilt. Doch die grausamste Waffe war weder das Spielzeug noch das Sägemesser, sondern seine detaillierten Kenntnisse über ihr Leben. Die privaten persönlichen Fakten über sie, ihre Familie, ihre Beziehungen, ihre Pläne – vom Spitznamen bis zum Lieblingsshampoo –, und dieses Wissen führte er wie ein Schwert; ganz bewusst zerschnitt er damit ihr Vertrauen zu den Menschen, zerstörte ihre Zuversicht. Chloe Larson war in jener Nacht nicht zufällig sein Opfer geworden. Er hatte sie «auserwählt». Und dann hatte er sich herangepirscht und zugeschlagen.
Wenn Bantling also ein Serienvergewaltiger war, dessen Verbrechen inzwischen eskaliert waren und ihn zum Serienmörder gemacht hatten – und davon ging sie aus –, wo waren dann die anderen Opfer aus den elf Jahren, bevor im April 1999 die Cupido–Morde angefangen hatten?
Ihr neuer Nachbar aus dem Gefängnis gegenüber hatte an vielen Orten gewohnt: New York, Los Angeles, San Diego, Chicago, Miami. Sie hatte die Polizeiakten jedes Staats angefordert, in dem er gelebt hatte, doch es lag nichts gegen ihn vor, nicht einmal ein Strafzettel.
Auf dem Papier war Bantling ein Musterknabe. Konnte es sein, dass er mehr als ein Jahrzehnt geruht hatte, sein Hass und seine kranken Vorstellungen tief in ihm gegoren hatten, bis sie schließlich zu Cupidos barbarischer Grausamkeit angewachsen und explodiert waren? Das bezweifelte C. J.
Die sorgfältige, genaue Planung ihrer eigenen Vergewaltigung sprach dafür, dass sie nicht sein erstes Opfer gewesen war, und die Brutalität, die er dabei an den Tag gelegt hatte, zeugte von wenig Selbstbeherrschung. Wahrscheinlich fiel es ihm schon schwer, sich während der Monate, in denen er das nächste Opfer aufspürte, zu zügeln. C. J. hielt es für unmöglich, dass er sich ein ganzes Jahrzehnt lang hatte zurückhalten können. Vielleicht hatte er auch sie ermorden wollen, und sie war nur zufällig rechtzeitig gefunden worden? Oder hatte er sie absichtlich am Leben gelassen?
Sie wusste, die Sonderkommission würde Bantlings Leben auseinander nehmen, Stück für Stück, und nach Antworten suchen. Auch dort hatte man bereits die Akte jedes Staats und jedes Gerichtsbezirks angefordert, in dem er gelebt hatte. In den nächsten Tagen würden Ermittler im ganzen Land seine Exfreundinnen, Ex–chefs und Exnachbarn befragen, um herauszufinden, ob Bantling in Kalifornien vielleicht mit der Axt gewütet hatte, bevor er als Skalpell schwingender Psychopath im Süden Floridas umging. Sein Name und eine Beschreibung der Cupido–Morde waren bereits durch die Datenbanken des FBI und von Interpol geschickt worden, um zu vergleichen, ob es unter einer anderen Gerichtsbarkeit ähnliche ungelöste Fälle gab. Waren in den Städten, die Bantling beruflich besuchte, plötzlich ein paar junge Frauen verschwunden? Doch zumindest bis jetzt hatten sie nichts gefunden. Sie hatten natürlich auch nur nach Morden gesucht.
Mit Lexus/Nexus, der juristischen Online–Datenbank, mit der die Staatsanwaltschaft arbeitete, begann C. J. ihre eigene Suche nach Antworten. Sie fing mit alten Zeitungsartikeln an, aus den Städten, in denen Bantling seit 1988 gemeldet war; zuerst L.A., wo er die längste Zeit verbracht hatte, mit zwei Wohnsitzen zwischen 1990 und 1994. Sie nahm sich die Los Angeles Times vor und gab zunächst Begriffe ein, die sich auf die Cupido–Morde bezogen: blond, Frauen, verschwunden, zerstückelt, ermordet, entführt, Messer, gefoltert, etc. Zwanzig Worte in zwanzig Kombinationen. Sie bat sogar den Telefonsupport um Hilfe, wie sie die Suchbegriffe am besten formulierte. Einige verschwundene und ermordete
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