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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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erkennen, wenn du sie erblickst?«
    Das Zischen eines Kerzendochts und das Tropfen einer Wasseruhr waren die einzigen Geräusche.
    Nepher schloss die Augen. »Ich werde dem Fließen aller Dinge lauschen, Zeit und Raum werden sich aufheben, und mein ka wird mit dem des Alls verschmelzen. Maat wird mir die Tür öffnen, und das Licht der Allumfassenden Ordnung wird mich überfluten.«
    Aus dem Tempel drang ein Gebetsgesang. Meryre erhob sich, gefolgt von Nepher. Er wandte sich um, ging zum Altar, auf dem die Lade stand, und hob den Stock mit dem ankh .
    »Ich bin Aton, ich bin Ra, ich bin Khepri, Vater des Universums, der seine eigene Zukunft schuf. Ich bin ein mächtiges Wesen, das den Spruch der Verwandlungen kennt. Ich kann den richtigen Mann an seiner Stimme erkennen, und ihm werde ich mich öffnen, um ihm das Göttliche Licht zu zeigen.« Er kehrte in die Mitte des heiligsten Bezirks zurück und blieb vor dem Pharao stehen. »Hoheit, heute Nacht werde ich die Heiligen Siegel brechen, damit du die Schwelle überschreiten kannst. Aber gib Acht«, er hob den Stock, »dass kein Profaner je erfährt, was deine Augen schauen werden. Knie nieder und gelobe es, im Namen der Heiligen Dreieinigkeit.«
    Nepher kniete nieder. »Ich gelobe es im Namen Atons, im Namen Ras und im Namen Khepris.«
    »Befiehl dem Steuermann des königlichen Schiffes, dass er die Abfahrt vorbereitet. Wir reisen bei Sonnenuntergang ab.«
    »Abreisen? Wohin?«
    »Nach Sais.«
    »Sais?«
    »Es gibt eine Zeit für Antworten und eine Zeit für das Schweigen.« Meryre durchschnitt die Luft mit einer energischen Handbewegung. »Denke nur daran, dass eine magische Nacht anbricht, die Nacht des Großen Gleichmaßes.«
    Nepher blickte ihn fragend an.
    »Das Fest der Lichter.«
    Ein Funkeln von tausend mal tausend Lichtern leuchtete in der Nacht vor Nephers Augen auf, und im Geist hörte er die letzten Worte seines Vaters. »Vergiss nicht … Alles wird in einer Nacht geschehen … Der Nacht des …«
    Der Nacht des Lichterfestes. Der Nacht, in der Sais und ganz Ägypten den Tod und die Wiedergeburt von Osiris feierten.

 
    26    Auf den mit Weinstöcken bewachsenen Hügeln lag das schimmernde Licht der Morgenröte, erste Sonnenstrahlen streiften die Steineichen des Parks um das Garden-Hotel von Siena. Ein Taxi hielt vor der Hotelfassade aus dem 18. Jahrhundert.
    »Zimmer 16 und 22 bitte«, sagte Théo am Empfang. Er wechselte einen Blick mit Konstantine. »Ach ja, und eine große Schneidzange.«
    Der Nachtportier legte ein Buch mit dem Titel Die paranoide Persönlichkeit auf dem Tresen ab und blickte Théo verwirrt an. »Seit zwanzig Jahren arbeite ich nun schon als Nachtportier im Garden, und die Gäste haben mich um alles Mögliche gebeten, aber um so etwas noch nie. Danke, Signore, das war mein Lebenstraum.« Er verschwand in einem Raum unter der Treppe und kehrte mit einer Schneidzange zurück. »Wenn Sie jemanden brauchen, der Schmiere steht, bin ich Ihnen gerne behilflich«, flüsterte er. »Ich hasse die Banken.«
    »Gut so. Diese salauds sind schlimmer als Ratten«, murmelte Théo mit ernster Miene, über den Tresen gebeugt. Dabei gab er Konstantine ein Zeichen, schnell die Treppe hinaufzugehen.
    In Théos Suite stellte Konstantine das Kästchen auf einen Tisch, und Théo zog eine Lampe heran. Spyro packte die Griffe der Schneidzange mit beiden Händen, und die Zangen legten sich um den Hals des Schlosses. Spyros Gesicht wurde rot. Krack.
    Als Théo den Deckel abhob, verbreitete sich Schimmelgeruch im Zimmer. Er steckte eine Hand hinein und holte ein zusammengerolltes, mit Schimmel bedecktes Stück Leder heraus.
    »Und was war das klappernde Geräusch?«, fragte Théo.
    Konstantine kramte schon auf dem Boden des Kästchens. Sein Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. Er zog die Hand heraus. Das Lampenlicht spiegelte sich in der silbrigen Oberfläche eines Kegels aus Metall.
    »Was zum Teufel ist das?« Konstantine drehte den Kegel in der Hand hin und her. »Es ist schwer. Zu schwer, um Silber zu sein … ich glaube, es ist Weißgold.«
    »Gib mal her.« Théo wog den Kegel in der Hand. »Du hast recht. Aber was bedeutet das, wozu dient es?«
    »Ich könnte einen Briefbeschwerer im Büro brauchen.«
    »Immer mit der Ruhe.« Théo löste das Band und zog eine Pergamentrolle aus dem Lederfutteral.
    Vorsichtig rollte er sie auf. Merde . An mehreren Stellen war die Tinte so verblasst, dass das Pergament nahezu unlesbar geworden war. Er bog den

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