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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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nichts.«
    »Die Mitglieder dieser Gruppe kamen zum ersten Mal in Holland zusammen. Im Mai 1954.«
    Der Professor füllte erneut ihre Gläser und fuhr fort zu erzählen, von Zeit zu Zeit durch Fragen des Kommissars unterbrochen. Als er fertig war, dämmerte es, und im Fenster erschien die beleuchtete Silhouette der beiden schiefen Türme.
    Der Kommissar lockerte seine Krawatte. Sein Blick wanderte zu den Fotos an der Wand. »Jetzt verstehe ich Ihre Leidenschaft für Polarexpeditionen.«

    Théo lehnte an der Balkonbrüstung und schaute gedankenverloren zu den Lichtern von Montmartre hinauf. Die Umrisse der Neonreklamen verschwammen, das Bild löste sich auf, und er sah die Bucht von Evdilos mit den Lichtern des Hafens vor sich. Im Geist hörte er, was Kassamatis und er einander vor zwei Tagen nach ihrer Rückkehr aus der Taverne auf der Terrasse von Kassamatis’ Villa gesagt hatten.

    »Warum sollte ich es dir verraten?«, fragte Kassamatis. »Damit du es im Namen der ›Gerechtigkeit‹ und der ›Wahrheit‹ der ganzen Welt erzählst?«
    »Warum willst du das nicht? Ein Geheimnis zu haben tut deinem Ego gut, was? Glaubst du, das macht einen großen Mann aus dir?«
    »Ich kenne wenigstens meine Grenzen.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Mein Ego geht so weit, wie die Leichtgläubigkeit der Leute reicht – also ziemlich weit, das gestehe ich dir zu –, aber deine Naivität, mein Freund, ist grenzenlos.«
    »Meine Naivität, mein Freund, geht so weit, wie mein Bedürfnis nach Gerechtigkeit reicht.«
    »Du bist ein Idealist, und Idealisten haben schon immer eine Spur aus Tränen hinterlassen. Idealismus ist zu teuer. Such dir einen anderen Geldgeber.«

    Erst der Obelisk, dann Picos Kegel und schließlich der fehlende Papyrus. Stolze Ergebnisse. Théos Hände umklammerten das Geländer. Und jetzt?
    Er ging ins Wohnzimmer, schenkte sich ein Glas Delamain Réserve ein, nahm einen tiefen Schluck und setzte sich in einen Sessel. In Gedanken noch bei Kassamatis, richtete er die Fernbedienung auf den Fernseher.
    »Um sechs Uhr heute Morgen hat der Ätna wieder Lebenszeichen von sich gegeben«, sagte der Sprecher der Nachrichtensendung von France 2. »Eine hohe Rauchsäule stieg aus dem südöstlichen Krater des Vulkans auf.«
    Plötzlich fiel ihm Raisas Vortrag ein. Freud schrieb außerdem, dass der biblische Jahwe die mythische Verkörperung eines grausamen, herrschsüchtigen Vulkangottes sei, der von einigen Nomadenstämmen im Land Midian verehrt wurde.
    Warum hatte Josia sich ausgerechnet für Jahwe als einzigen Gott entschieden? Woher kam dieser Jahwe? Er sprang auf, ging in sein Arbeitszimmer und nahm die Bibel. Exodus 21,13: »Der Herr zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten.«
    Eine Rauchsäule, eine Feuersäule. Ein Vulkan. Das war also der Berg Sinai! Ein Vulkan, der wahrscheinlich dank der Berichte der Beduinenstämme der Negevwüste in das kollektive Gedächtnis Israels eingegangen war. Raisa. Er wählte ihre Nummer.
    »Wie kam Freud auf diese Idee?«, fragte Théo.
    »Das hat er in Der Mann Moses und die monotheistische Religion geschrieben«, sagte Raisa. »Warte einen Moment.« Théo hörte Buchseiten rascheln. »Hier, Freud erwähnt einen Historiker, einen gewissen Eduard Meyer, und zitiert aus einem Buch Meyers von 1906.«
    Meyer schrieb, dass die jüdischen Stämme, die eines Tages das Volk Israel werden sollten, sich in alter Zeit zu einem neuen Gott bekehrt hatten. Aber diese Konversion ereignete sich weder in Ägypten noch am Fuße eines Berges auf der Halbinsel Sinai, wie es in der Bibel hieß, sondern in einer Gegend nordwestlich des Landes Midian, die an Kanaan grenzte.
    Unter Berufung auf Meyer schrieb Freud, es habe weder in Ägypten noch auf dem Sinai Vulkane gegeben, während die Westküste Arabiens voller Vulkane war. Einer davon musste der »Berg Gottes« aus der Bibel sein, nämlich der Sinai-Horeb, auf dessen Gipfel Jahwe seine Wohnstatt hatte, wie die Legenden der Stämme in Midian erzählten.
    »Hast du noch mehr gefunden?«, fragte Théo.
    »Ja. Schon vor Meyer hatte ein englischer Forscher, ein gewisser Charles Beke, bereits die Vermutung geäußert, dass der Berg Sinai ein Vulkan in Arabien sein müsse. Beke schrieb darüber ein Buch mit dem Titel Mount Sinai, a Volcano , das 1873 in London erschien.«
    In ihren Büchern berichteten Beke und Meyer, dass die Hirtenstämme in Kanaan und Midian Hunderte

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