Curia
einem schmiedeeisernen Zaun mit vergoldeten Spitzen in der Avenue Montaigne im achten Arrondissement. Das Tor öffnete sich, der Rolls fuhr in den Park und verschwand hinter einer surrealistischen Bronzeskulptur von Henry Moore.
Der Fahrer öffnete die Wagentür. Dem Auto entstieg ein hagerer Mann mit Adlernase und einem gepflegten grau melierten Bärtchen. Er trug einen Dreiteiler aus dunkelgrauem Tweed und einen teuren anthrazitfarbenen Hut. Leicht hinkend und auf seinen Spazierstock gestützt, stieg der Mann die Stufen zum Portikus hinauf. Über der Eingangstür prangten in einer Rosette die Initialen L und F aus Messing.
» Bonsoir , Monsieur le Comte«, sagte der Butler. »Mister Fitzwilliam hat vom Flughafen aus angerufen und lässt mitteilen, dass er in Kürze hier sein wird.«
» Bonsoir , Theodric. Wie kam er dir vor?«
»Ein wenig verwirrt und argwöhnisch, Monsieur le Comte. Eine ängstliche Persönlichkeit, würde ich sagen, die zu obsessiv-zwanghaften Störungen neigt.«
»Öfter mal was Neues«, murmelte der Comte, während er dem Butler seinen Hut reichte und auf eine breite Treppe aus rosafarbenem Marmor zuging, an der Gemälde von Toulouse-Lautrec hingen. Ein mit Blumenarabesken durchwirkter Läufer bedeckte die Stufen. »Ich bin oben im Arbeitszimmer.«
Der Aubusson-Teppich auf dem Parkett dämpfte seine Schritte. Der Comte setzte sich an seinen Chippendale-Sekretär und überflog einen Stapel Briefe, alle an »Monsieur le Comte Émil La Fontaine« gerichtet, und öffnete einige davon. Das Telefon läutete.
»Monsieur le Comte«, sagte der Butler, »Mister Fitzwilliam ist eingetroffen. Ich habe ihn in die Bibliothek geführt. Besondere Anweisungen für das Diner, Monsieur?«
»Zur gewohnten Zeit, für zwei. Was das Menü betrifft, Theodric, so kennst du seinen Geschmack.«
»Ja, ich weiß, Monsieur«, sagte der Butler mit einem resignierten Unterton. »Blutiges T-Bone-Steak, geschmorte Maiskolben und Lemon pie .«
Die Tür der Bibliothek schloss sich hinter La Fontaine. Fitzwilliam stand vor einer Fenstertür, die auf den Park hinausging. Er drehte sich um. Der Mann war das Ebenbild von Franklin Roosevelt. Er rauchte eine Zigarette aus einer goldenen Spitze und trug einen blauen Nadelstreifenanzug, aus dessen Jackett ein weißes Seidentaschentuch hervorschaute. Ein breiter goldener Ring mit einem roten Stein schmückte seinen rechten Ringfinger.
» Mon cher ami , warum diese Eile?«, fragte La Fontaine, nachdem sie sich gesetzt hatten.
»Ich habe gestern in New York das Komitee einberufen. Émile, diese Geschichte dauert jetzt schon zu lange. Enough is enough .«
Die Schläge einer Tischpendüle aus vergoldeter Bronze im Empirestil untermalten seine Worte. La Fontaine nahm eine Cohiba Behike aus einer Zedernholzschachtel und schnitt sie mit einem silbernen Zigarrenschneider an.
»Meinst du nicht, dass ihr etwas übereilt reagiert?« La Fontaine brachte die Zigarre zum Brennen, indem er mehrmals kräftig zog.
»Übereilt?« Fitzwilliam schlug die Beine übereinander, eine kurze schwarze Socke betonte die weiße Haut. »Hat dir St. Pierres Telefonat mit dem Vulkanologen nicht genügt?«
Fitzwilliam streckte seine Hand zu einem bronzenen Mörser aus, in dem Silbermünzen mit dem Profil der Königin Victoria lagen. Er nahm eine Münze und ließ sie auf den Teller einer Waage fallen, die von einer bronzenen Statuette der Athene gehalten wurde. Das Klimpern erstarb zwischen den Bücherwänden der Bibliothek.
»Ich dachte, wir wären uns darüber einig gewesen, dass Abwarten die beste Strategie ist«, sagte La Fontaine. »Kowalski hat sich dieses Loch unter der Intarsie schließlich nicht eingebildet.«
»Das hat nichts mit dem Grab zu tun. Außerdem bleibt der Inhalt dieses Lochs völlig hypothetisch, während es an der anderen Front jetzt eine konkrete Gefahr gibt.«
»Hypothetisch sagst du? Kowalski hat die Psychoanalytikerin gestern bis vor die Tür eines chemisch-physikalischen Forschungslabors verfolgt. Was hat sie da gemacht?«
Fitzwilliam deutete mit seiner Zigarettenspitze eine schicksalsergebene Geste an. »Du hast dich doch nicht etwa von Kassamatis beeindrucken lassen? Diesem griechischen Orakel mit seinen wirren Ideen?«
»Gestern habe ich mit Van Daalen gesprochen. Er ist inzwischen überzeugt, dass der anonyme Verfasser des Büchleins niemand anderes als Pico della Mirandola war. Mehr noch. Er meint auch, Pico della Mirandola habe etwas so Wichtiges entdeckt, dass unsere
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