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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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meinen Hoffnungen?«
    Die Herzogin antwortete nicht, sondern hob eine Karte vom Stapel. Die Gerechtigkeit, verkehrt herum. »Wenn du Gerechtigkeit suchst, denn genau das ist es, was du suchst, dann vergiss es. Die menschliche Gerechtigkeit ist eine Komödie, bei der derjenige gewinnt, der den besten Anwalt hat.«
    »Was wird passieren, wenn ich aufhöre?«
    Die Herzogin zeigte auf den Turm, die Karte am linken Arm, einen Wachturm, in den ein Blitz einschlug. »Diese Position zeigt deine nahe Zukunft, das, was in den nächsten Wochen passieren wird. Der Turm bedeutet Hindernisse und Katastrophen aller Art.«
    Das Klopfen des Regens verstärkte die Stille.
    »Kannst du mir nicht noch mehr sagen?«
    Die Herzogin schloss die Augen und nahm noch eine Karte vom Stapel: die Dreizehn der Großen Arkanen, der Tod. »Aber diese Karte meint nicht unbedingt den physischen Tod. Sie kann bedeuten, dass sich ein Kreis geschlossen hat und dass man die Kraft zur Veränderung und zum Neuanfang finden muss. Sie steht für die Vergänglichkeit der weltlichen Dinge. Du musst dich entscheiden. Dabei kann ich dir nicht helfen.«
    »Was bedeuten diese vier Karten untereinander auf der rechten Seite?«
    »Sie sind der aufgerollte Kreis des keltischen Kreuzes und symbolisieren die innere Welt des Narren, seine Hoffnungen und Ängste, die scheinbaren und die wahren. Sie fassen seine Reise in das eigene Innere und in die Welt zusammen, die Schwierigkeiten, auf die er trifft, und das Endergebnis.«
    Die untere Karte, der Teufel, stelle Théos innere Haltung dar, so die Herzogin. Es seien die einfachen, trügerischen Gefühle wie die Rachgier, vor denen man sich hüten müsse.
    »Sie sind die tausend Spiegel des Labyrinths in deinem Traum, die jeder ein anderes Bild von dir zeigen, nur das wahre nicht.«
    Die Karte darüber, die Münzen-Vier, zeige die äußeren Einflüsse, über die Théo keine Macht hatte.
    »Die Münzen-Vier symbolisiert Macht, Geiz und Geld«, sagte die Herzogin, »und das bestätigt die Natur deines Widersachers, des umgedrehten Kaisers in der Mitte des Kreuzes.«
    Die vorletzte Karte, die Priesterin, sei ein Bild für Théos unbewusste Erwartungen. Es waren Hoffnungen und Ängste gleichzeitig, und sie kämpften mit dem Teufel, den er in sich trug.
    »Obwohl das bewusste Ziel deiner Suche Gerechtigkeit ist, sucht das Unbewusste des Narren, dein Unbewusstes, in Wirklichkeit nach einem geheimen Wissen, einem esoterischen Wissen, das älter ist als die Welt und dir Angst macht.« Die Herzogin blickte starr in die Flamme. »Dasselbe suchte Echnaton vor dreiunddreißig Jahrhunderten.«
    Ein Kahn stieg gegen den Kai, der dumpfe Stoß hallte unter der Brücke wider. Théo umklammerte das Geländer.
    »Und die zehnte Karte, ganz oben?«
    »Sie ist das Endergebnis. Die Welt, die letzte Karte der Großen Arkanen. Sie bedeutet ein großes Versprechen: kosmisches Wissen, das Unergründliche, das Absolute.«
    Théo sah sich im Traum, wie er den Spiegel mit der Statuette von Echnaton zertrümmerte. »Was bedeutet das?«
    Die Herzogin hob eine neue Karte ab. Es war der Eremit, ein Mönch mit Kapuze und einer Laterne in der Hand.
    »Der Eremit bedeutet die Entdeckung des eigenen Selbst, die Erleuchtung der Buddhisten.« Sie zeigte auf den umgedrehten Kaiser, das Ass der Schwerter, die Kelch-Fünf, den Turm und die Münzen-Vier. »Sie ist die Belohnung, die dich erwartet, wenn du alle Prüfungen bestehst.«
    »Lohnt es sich?«
    »Das kannst nur du beantworten.«
    »Deck noch eine Karte auf.«
    Die Herzogin fuhr mit der Hand über die Karten. Sie vibrierte über einer Karte: das Rad der Fortuna, aber verkehrt herum. Die Herzogin blickte Théo stumm an.
    Théo nahm selbst eine Karte. Die Kraft. »Ich glaube an mich selbst und meine Entscheidungen. Nicht an das Glück.«
    Die Herzogin schüttelte den Kopf. »Entscheidungen sind die Illusionen der trügerischen Welt der Sinneswahrnehmungen. Die Tarotkarten sind eine Projektion des wahren Lebens, ein kosmischer Traum, in dem alles vorherbestimmt ist, Anfang und Ende, und der unter dem Einfluss einer Musik steht, die ein unsichtbarer Musiker spielt.«
    Théo erhob sich, zog seine Brieftasche heraus und gab der Herzogin alles, was er dabeihatte, drei Hunderteuroscheine und sechs Zehner. Er behielt nur ein paar Münzen für das Taxi. »Danke, Herzogin. Bon courage .« Er bückte sich und drückte ihr fest die Hand, wobei ihn ein unerklärliches Schuldgefühl überkam.
    Die Herzogin deckte noch eine

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