Curia
Allah zu lästern.
»Immer noch Puccini?«, fragte Théo mit angewidertem Gesicht. »Da ist ja ›Laylas Lied‹ noch besser.«
Khalid richtete die Flöte auf ihn. »Ich spiele nur für Allah. Er hat einen guten Geschmack. Im Gegensatz zu dir.« Er hob das Instrument an seine Lippen, und die Töne der Arie Nessun dorma schwebten durch die Oase.
Eine Gruppe von Frauen in schwarzen Abajas wanderte zum Ufer der Oase, tönerne Krüge auf dem Kopf. Zwischen den Zelten flackerten die Lagerfeuer, und die Brise trug den Duft gebratenen Lamms herbei.
Théo hob die Augen zum Vollmond, der mit seinen hellen und dunklen Flecken am Himmel strahlte. Er betrachtete den an die Puccini-Arie hingegebenen Khalid und erkannte zu seiner Überraschung, dass er ihn um seine Illusionen beneidete. Vielleicht hatte Khalid recht. Was war das Leben außer einem ständigen Kampf gegen die Demütigungen der Wirklichkeit? Was blieb, wenn alle Illusionen schwanden?
Er wählte Raisas Nummer.
»Mein Informant am Grenzposten berichtet, dass sie Gäste in einem Beduinenlager bei der Oase von Al-Bad sind«, sagte Kassamatis, den Drehstuhl zum Empire State Building gewandt.
»Wann reist du ab?«, fragte Comte La Fontaine am Telefon.
»Der Hubschrauber wartet draußen, und das Flugzeug steht startbereit in Newark. Heute Nacht komme ich in Riad an, und morgen Vormittag bin ich dort.«
»Sind wir bei diesem Datum ganz sicher?«
»Wie oft soll ich es dir noch sagen? Ich habe das Datum von zwei Archäologen unabhängig voneinander überprüfen lassen. Es ist der 28. September.«
»Gut, dann vergiss nicht, dass heute schon der 26. ist. Ich hoffe, du weißt, was du tun musst, Alexis, und wie du es tust. Und bitte zur Abwechslung mal keine eigenmächtigen Aktionen.«
Aus einem Aluminiumkoffer nahm Kassamatis eine Landkarte und fuhr mit dem Zeigefinger eine Strecke ab. Dann holte er eine Browning Kaliber 9 aus dem Koffer, zog das Magazin heraus, betrachtete es und schob es mit einem scharfen Stoß wieder in den Kolben.
Ein Zeltvorhang wurde beiseitegeschoben, und zwei Schatten traten aus dem Hintergrund. Im Schein der Petroleumlampen wurden die Gesichter von Monsignore Guzman und Al Kaddafi sichtbar. Der Scheich bedeutete ihnen, sich auf dem Teppich niederzulassen.
»Ich behaupte weiterhin, dass es ein Fehler war, ihnen das Tuch zu zeigen«, sagte Al Kaddafi zum Scheich gewandt.
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte der Monsignore und strich dabei über seine Narbe.
»Ach, wirklich?«, rief Al Kaddafi empört aus. »Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er suchen sollte. Warum hat man ihn auf den rechten Weg geführt?«
»Weißt du, was Sun Tsu sagt? Unterschätze niemals deinen Feind«, sagte der Monsignore. »Die erste Regel eines umsichtigen Strategen.«
»Eine überaus weise Regel«, sagte der Scheich. »Sie nicht zu befolgen könnte uns bei diesem Mann teuer zu stehen kommen.«
»Was willst du damit sagen, Ali?«, fragte Al Kaddafi.
»St. Pierre weiß viel mehr, als er sagt. Er könnte dort Erfolg haben, wo wir gescheitert sind.«
»Das mit dem Tuch war ein schlauer Schachzug.« Guzman zwinkerte dem Scheich zu. »Ich hätte es selbst nicht besser machen können.«
»Ihre Anerkennung schmeichelt mir, Monsignore«, sagte der Scheich trocken.
»Du weißt offenbar nicht, Christ, dass sogar die Abteilung für Altertümer in Riad jahrelang im Wadi Hurab gegraben hat, ohne je etwas zu finden. Warum sollte es ihm gelingen?«
»Vielleicht haben eure Archäologen aus Riad an den falschen Stellen gegraben. Warum lassen wir es ihn nicht versuchen? Wir können dabei nur gewinnen.«
»Wie oft soll ich es dir noch sagen? Morgenstern wird uns zu dem Grab führen.«
»Und ich sage dir noch einmal, dass die Juden beschließen könnten, das Grab in Ruhe zu lassen, weil sie überzeugt sind, dass wir es nie finden werden. Was machen wir, wenn wir St. Pierre aufhalten und Morgenstern zu Hause bleibt? Sollen wir uns bis in alle Ewigkeit fragen, was passieren wird, wenn jemand das Grab endlich einmal findet?«
»Rashid, der Monsignore hat recht.«
Al Kaddafi zuckte mit den Achseln. »Wie ihr wollt. Ob der Archäologe das Grab nun findet oder nicht, auf jeden Fall werden er und sein Freund die fossilen Ablagerungen im Wadi Hurab bereichern.«
Der Wind bewegte das Zelt und ließ die Flammen in den Lampen aufflackern. Der Monsignore fing den Blick auf, den die beiden Araber sich zuwarfen. Mit dem Ellenbogen suchte er Kontakt zu der Beretta, die
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