Curia
Begriff?«
»Selbstverständlich, aber ich sehe da keinen Zusammenhang.«
»Auf zwei dieser Tafeln bittet der König von Byblos den Pharao Echnaton um Truppenkontingente aus jeweils zehn Mann.«
»Ich kenne die Tafeln sehr gut. Und weiter?«
»Wenn du sagst, dass man ›elef‹ mit ›Kontingent‹ übersetzen muss, dann sage ich dir, dass ein Kontingent damals zehn Soldaten umfasste.«
»Ja … schon möglich.«
»Das bedeutet, dass sechshundert Kontingente sechstausend wehrfähigen Männern entsprachen. Wir müssten also von einem Exodus von ungefähr zwanzigtausend Menschen ausgehen, einschließlich Frauen, Alte und Kinder. Bist du mit dieser Zahl zufrieden?«
»Sie dürfte alle deine Zweifel ausräumen.«
»Nicht so eilig.«
Michaela biss sich auf die Lippe. »Na gut. Hast du noch mehr Einwände?«
Théo zeigte auf eine Landkarte des alten Ägypten und seiner Nachbarländer an der Wand. »Der Bibel zufolge zogen zwei Millionen Israeliten vierzig Jahre lang von Ägypten in das Land Kanaan.«
»Ich wiederhole, dass es nicht zwei Millionen waren.«
»Und ich wiederhole, dass es nicht mal zwanzigtausend gewesen sein konnten. Lass uns von einer ›großen Menge‹ sprechen, einverstanden? Gut. Ist es möglich, dass all diese Menschen nirgendwo Spuren hinterlassen haben? Keine Siedlungen, keine Inschriften, nicht mal eine armselige kleine Amphorenscherbe?«
»Die archäologischen Grabungen haben sich auf Ägypten konzentriert, nicht auf den Weg des biblischen Exodus.«
»Du weißt genau, dass das nicht stimmt.«
Michaela sagte nichts.
»Ende der Sechzigerjahre, nach dem Sechstagekrieg, fingen die Israelis an, auf der Sinaihalbinsel zu graben, und die Grabungen zogen sich bis zum Ende der Siebziger hin.«
Die israelischen Archäologen hatten keine einzige Spur des Exodus gefunden. Was sie fanden, waren die Überreste der Kupfer- und Türkisminen, die Ägypten im Sinai kontrollierte, außerdem Spuren der zahlreichen ägyptischen Festungen, die die Gegend schützten.
»Die Tatsache, dass die Israelis nichts verlauten ließen«, sagte Michaela, »bedeutet nicht, dass sie nichts gefunden haben. Auch nach der Rückgabe des Sinai an Ägypten hätte jede Enthüllung negative Auswirkungen auf politischer Ebene haben können.«
Théo schlug erneut die Bibel auf. »Laut Deuteronomium 2,14 hielten sich die Israeliten achtunddreißig Jahre lang – von den vierzig ihrer Wanderschaft – in der Gegend um Kadesch-Barnea, im Nordosten der Sinaihalbinsel, auf, wo sich heute die Oase Ein el-Qudeirat befindet.« Er blätterte in ihrem Bericht. »Du schreibst hier: ›In den Fünfziger- und Sechzigerjahren unternahmen die Archäologen Ausgrabungen in der Gegend, die dem einstigen Kadesch-Barnea entspricht, aber sie fanden nichts.‹ Absolut nichts. Wie erklärst du dir das?«
Théo stand auf, ging zur Landkarte und zeigte mit dem Finger auf eine Gegend südöstlich vom Toten Meer, die auf der Karte als »Königreich Edom« bezeichnet wurde und dem heutigen Südjordanien entsprach.
»Laut Bibel, Numeri 20,14« – zielsicher schlug Théo die richtige Seite auf –, »schickte Moses von Kadesch aus Boten zum König von Edom, mit der Bitte, durch sein Land ziehen zu dürfen. Stimmt’s?«
»So schreibt Moses in der Thora.«
»Gut. Nur schade, dass das Königreich Edom erst gegen Ende des achten Jahrhunderts vor Christus entstand, wie zahlreiche assyrische Quellen und Ausgrabungen in Südjordanien belegen.«
Michaelas blaue Augen flackerten hinter den Linsen aus Titanglas. »Diese Grabungen sind noch längst nicht abgeschlossen.«
»Trotzdem ist die Wissenschaft heute der Ansicht, dass nicht Moses das Buch Exodus geschrieben hat, sondern ein anonymer Verfasser aus dem achten Jahrhundert vor Christus oder aus späterer Zeit, ein Verfasser, der sich auf bessere Quellen hätte stützen oder dem Jahwe einen Tritt in den Hintern hätte geben müssen, wenn er behauptete, nach göttlichem Diktat geschrieben zu haben.«
Michaela sagte nichts.
Théos Finger wanderte auf der Karte nach Kanaan. »Das Land Kanaan umfasste den heutigen Süden Syriens, Jordanien, einen großen Teil Israels und den Libanon. Die Israelis haben über fünfzig Jahre lang bei sich zu Hause und in der Wüste Negev gegraben, doch auch dort haben sie nichts gefunden. Nicht nur keine Spur der Besiedlung Kanaans nach der angeblichen Eroberung Jerichos durch Josua, sondern auch keine Anzeichen für die legendären Reiche Davids und Salomons.« Théo setzte
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