CUT
schon noch sehen“, grinst
Steven geheimnisvoll.
„Aber jetzt huschhusch!“ Er scheucht mich
jetzt auch in mein Zimmer. Gott sei Dank habe ich nicht nur einen dünnen weißen
Pullover, sondern auch ein Sakko eingesteckt. Also kann ich den Pulli auf eine
dunkle Jeans mit dem Sakko anziehen. Nun noch schnell die Haare machen, und
dann bin ich eigentlich schon fertig. Timo ist wesentlich besser ausgerüstet,
er steht in seinem beigen Leinenanzug und fix und fertig neben mir.
„Hast Du eigentlich eine Ahnung, was der
vorhat?“, frage ich Timo.
„Nein, ich wundere mich auch schon die
ganze Zeit“, erwidert der. An unserer Tür klopft es. Ich öffne. Raffael.
Er trägt einen dunklen Cordanzug.
„Meinst Du, so kann ich gehen“, fragt er
mich und dreht sich in beide Richtungen. Ich nicke.
„Denke schon“, antworte ich ihm.
„Du sollst nicht denken, Du sollst mir
das sagen“, hakt er nach.
„Sicher. Ich weiß ja selber nicht, was
Steven vorhat“, antworte ich brummelnd.
„Ja, ich auch nicht, aber ich soll schon
wieder runterkommen, weil ich irgendwas helfen soll“, regt er sich auf.
„Kein Problem... wir helfen auch. Kommst
Du, Timo?“, frage ich. Der folgt mir. Zu dritt tauchen wir im Wohnzimmer auf.
„Wir sind die Aushelfer“, scherze ich,
während ich mich umschaue, wo ich mich nützlich machen kann.
„Nein, nein, nein...“ mischt Steven sich
hektisch ein.
„Ihr zwei verschwindet sofort wieder, bis
ihr gerufen werdet“, scheucht er uns nach oben. Hallo? Geht’s noch?
„Ja, das gibt eine Überraschung... und
jetzt macht, dass Ihr hochkommt!“ Steven wedelt mit beiden Händen.
„Dann leg ich mich noch ne Stunde aufs
Ohr“, grummele ich und stapfe die Treppe wieder hoch.
„Nix da... Ihr seht aus wie aus dem Ei
gepellt, wenn Ihr runterkommt, verstanden?“, mäkelt mein Mann. Ich verdrehe die
Augen. Tucken... ne, ich sag’s ja... Steven knurrt irgendetwas in seinen nicht
vorhandenen Bart.
Leider versteh ich es nicht. Ist
vielleicht auch ganz gut so, sonst wäre ich vielleicht noch versucht, ihn übers
Knie zu legen.
Also setzen wir uns oben auf den Balkon,
während unten im Haus seltsame Geräusche zu hören sind und scheinbar Gäste
eintreffen. Auf der Veranda stellt der Partyservice gerade eine mobile Bar auf.
Im Garten wird ein Podest aufgebaut. Mir doch egal, solange ich hier oben
sitzen muss, schaue ich eben den Vögeln auf dem Beckenrand zu. Sie turteln und
picken genau an der Stelle, an der Steven hätte sterben sollen, wenn’s nach
Martin Bolokowski alias Mark May gegangen wäre. Alleine der Anblick versetzt
mich in eine seltsame Stimmung. Was wäre, wenn Raffael nicht die Augen offen
gehalten und Steven gerettet hätte? Das wäre ein trauriger Anlass für ne Party
geworden.
Zum Glück bemerkt Timo, mein stiller,
introvertierter und einfühlsamer Timo, welchen Gedanken ich nachhänge, kommt zu
mir und legt mir den Arm um die Schultern. Timo ist kein Mann der großen Worte,
es ist eigentlich problemlos möglich, mit ihm tageweise zu leben, ohne mehr als
ein oder zwei Worte zu sprechen. Meist bin ich dann derjenige, der spricht.
Timo sagt alles, was er zu sagen hat, durch Gestik und Mimik. So ist es auch
heute. Timo kuschelt sich sanft an, legt seinen Kopf auf meine Schulter und ist
einfach nur für mich da. Wir küssen uns kurz, dann bin ich wieder beruhigt.
Später lauschen wir nach unten. Scheinbar sind noch weitere Gäste eingetroffen.
Timo lächelt und streicht mir über den Kopf. Dann zwinkert er mir zu. Ich
erstarre für einen Moment. Ich bin mir sicher, das helle Lachen meiner Mutter
gehört zu haben. Das Lachen meiner Mutter ist mir so vertraut, dass ich es aus
tausend lachenden Frauen heraushören würde, denn sie lacht extrem grell und
laut. Aber was soll meine Mutter hier? Sich einen Pornofilm ansehen, den ich
gerade gedreht habe? Sie würde einen Herzinfarkt bekommen, dessen bin ich mir
sicher. Schwulsein ist eine Phase und so. Auch wenn die Phase nun schon zwölf
Jahre anhält und das Thema seitdem einfach totgeschwiegen wird, meine Eltern
haben meine Beziehungspartner bisher immer akzeptiert. Aber ich sehe absolut
keinen Grund, warum meine Eltern hier sein sollten. Außerdem würde, wenn meine
Eltern hier wären, ja irgendwo ihr Auto stehen. Andererseits zeigt der Balkon
aufs Grundstück, ich kann also die Straße gar nicht einsehen. Egal jetzt, dann
sind meine Eltern halt hier... auch wenn mich das jetzt nervt.
Es klopft, dann schaut
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