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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kroeger
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Ding.«
    Du betrachtest seinen schmalen Rücken. Nick spielt mal wieder Leben. Vielleicht ist das ganz normal, wenn man aus einer Welt kommt, in der alles einen Grund haben muss. Vater Richter, Mutter Ärztin, drei Geschwister, alle was geworden. Außer Nick. Nick, der angehende Anwalt, geht mal eben in der Londoner Clubszene verloren.
    Du hast ihm nicht erzählt, dass du auch schon mal hier gewesen bist. Du musst diesen missglückten Trip verdrängt haben im Laufe der Jahre. Tim hat dir zum Abi einen Kurzurlaub geschenkt. Natürlich war es kein Zufall, dass ein paar Freunde von ihm aus dem Sportverein das Freundschaftsspiel Deutschland-England sehen wollten. Also seid ihr alle zusammen mit dem VW-Bus rübergefahren und habt außerhalb von London auf einem Campingplatz gewohnt, wo es jede Nacht Randale zwischen deutschen und britischen Fans gab. In der letzten Nacht ist Tim spät ins Zelt gekommen, völlig besoffen und mit einem blauen Auge. Er wollte unbedingt mit dir schlafen. Du hast ihn rausgeschmissen. London war der Anfang vom Ende.
    Jetzt bist du also wieder hier und willst in der grauen Suppe da draußen nach einem unbekannten Inder suchen, der dir einen Teil seiner DNA hinterlassen hat. Ein paar chemische Verbindungen und einen Haufen Fragen, auf die du keine Antwort hast.
    »Weißt du, ich überlege die ganze Zeit, was ich mache, wenn wir ihn wirklich finden«, sagst du laut zu dem Rücken am Fenster.
    Nicks Haare hängen ihm nass ins Gesicht, als er sich mit der Kamera in der Hand umdreht und sie auf dich richtet.
    »Mach doch mal das Ding aus! Stell dir vor, er ist ein echtes Arschloch. Mutter verrückt, Vater Arschloch. Herzlich willkommen im Gruselkabinett!« Nick lacht hinter der Kamera, aber du meinst es ernst. »Verstehst du, bisher gab es nur Hinnarck, Emma und Mr. Unbekannt. Ich hab mich daran gewöhnt.«
    Endlich macht er die Kamera aus und setzt sich auf die Bettkante. »Ach komm, Mattie, das ist doch nicht wahr. Du hast mir immer erzählt, wie sehr du die ganze Lügerei gehasst hast.«
    Stimmt, das hast du gesagt, du hattest sie so satt, die Scheinwelt, die Hinnarck um deine Existenz errichtet hat. Aber das war alles Theorie. Du senkst den Blick und lässt die rosa Bordüre der Bettdecke fallen, an der du wahrscheinlich schon die ganze Zeit herumgeknabbert hast. Eine alte Angewohnheit aus Kindertagen.
    »Manchmal, wenn ich aus der Schule kam, hat Emma mich so komisch angeguckt. Dann gab es zwei Möglichkeiten. Entweder sie hat sich im Schlafzimmer eingeschlossen und den ganzen Nachmittag geheult. Oder sie hat mich wegen irgendwas angebrüllt und getobt und ich hab mich in meinem Zimmer eingeschlossen, weil ich Angst vor ihr hatte.«
    Du siehst dich wieder auf deinem Bett sitzen, direkt unter der Dachschräge, den Zipfel deiner Bettdecke zwischen den Zähnen, angespannt lauschend, ob Emma noch vor der Tür steht. Minuten dehnen sich zu Stunden, bis du endlich, deine Sporttasche fertig gepackt, den Mut findest, die Tür zu öffnen und dich leise davonzuschleichen.
    Meistens saß Emma schon längst wieder an ihrem Fenster und starrte auf den Bahnhofsvorplatz hinunter.
    Nick versucht dir über den Kopf zu streicheln, aber du weichst ihm aus. Du willst jetzt nicht getröstet werden. Du willst auf etwas anderes hinaus.
    »Mittlerweile glaube ich, das ganze Theater hatte überhaupt nichts mit mir zu tun, sondern mit dem Inder. Meine Schuld war nur, dass ich ihm ähnlich sah. Darauf ist sie so abgefahren. Was ist, wenn …«
    Nick hat sich nach vorn gebeugt, aber bevor sein Mund deinen erreicht, klatscht dir eine nasse Strähne Haare ins Gesicht. Lachend räumt er sie aus dem Weg und sieht dich an. » Was ist, wenn gilt jetzt nicht mehr. Du kannst es nur rausfinden, wenn du ihn selbst fragst. Er wird dich schon nicht fressen.« Er stürzt sich auf dich, brüllt wie ein bengalischer Tiger und reißt dir die Bettdecke weg. »Los, steh auf! Wir gehen jetzt in den Pub an der Ecke, wärmen uns mit Scotch und machen einen Plan für morgen. Ich weiß schon, wie wir uns aufteilen. Ich nehme das Telefonbuch und du setzt deinen indischen Look ein und klapperst Behörden und Verbände ab.«
    Vor dir steht Nick, fünfzigprozentiger Seniorpartner eurer neu gegründeten Detektei, und versucht dich eiskalt über den Tisch zu ziehen. Sieht so aus, als wäre schon klar, wer sich die Schrammen auf der Straße abholt und wer gemütlich zu Hause im Trockenen bleibt.

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