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Cut

Cut

Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kroeger
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hat kein Mitleid mit seinem sanftmütigen Herz.
    Nenne die Welt nicht unfair.
    Sei nicht so naiv!
    Cut. Das Kinopublikum singt mit.
    Jara hatke, jam bachke
    yeh hai Bombay meri jaan!
    Alle außer Mattie und Nick.
    Ende des Songs.

54 Krähenaugen
    Ludwig machte eine Pause. Obwohl er immer noch ziemlich viel Hindi verstand, dröhnten die Stimmen in seinem Kopf und er konnte die einzelnen Worte nicht unterscheiden. »Wie ein Schwarm Krähen« dachte er, als Rahul Kher zu ihm trat und ihm vorsichtig das Mikrofon aus der Hand nahm.
    »Immer mit der Ruhe, meine Herren, Sie führen sich ja auf wie meine Studenten!«
    Kher schaffte es, dass die Krähen sich beruhigten. Nun schien er eine Frage an ihn zu richten. Immer neue Fragen. Warum ließ man ihn nicht nach Hause gehen und schlafen?
    Auf dem Flug von Frankfurt nach Bombay hatte er im Halbschlaf einen furchtbaren Alptraum gehabt. Charlotte war gestorben! Sie saß in ihrem Sessel am Fenster, und ihre blauen Augen starrten ihn aus dem blassen Gesicht an. Seitdem verfolgte ihn dieses Bild. Wie konnte sein Unterbewusstsein nur so einen Unfug zusammenfabulieren? Sie war schließlich eine rüstige Frau. Er hatte sich vorgenommen, gleich von seinem alten Freund Kher aus bei ihr anzurufen.
    Doch Kher überredete ihn, zum Treffen der Historiker mitzukommen, und er wollte ihm die Freude nicht verderben. Den Anruf hatte er in der Hektik wohl vergessen.
    Ludwig war enttäuscht von der Veranstaltung. Er fand nicht ein bekanntes Gesicht unter den Zuhörern. Die meisten waren ohnehin Zivilisten. Ein paar Veteranen waren vor Beginn der Veranstaltung zu ihm gekommen. Aber sie hatten alle in Boses zweiter Armee gekämpft, die 1944 von Japan aus nach Indien vorstoßen wollte. Diese so genannte indische Nationalarmee war jämmerlich in den burmesischen Urwäldern gescheitert. Offiziell hieß es, ihnen sei der Nachschub ausgegangen. Aber er vermutete, es hatte ihnen einfach an Disziplin gefehlt. Seinen Männern wäre das nicht passiert.
    Kher sprach immer noch.
    »Und auch die indische Legion in Deutschland, das belegen die Aufzeichnungen meines Bruders und anderer Offiziere, hat bis zur Gefangennahme durch die Amerikaner tapfer gekämpft. Die dreißig Fahnenflüchtigen von Poitiers konnten sich niemals für ihr Verhalten rechtfertigen. Aber heute wissen wir, für sie war der Eid ungültig, denn statt gegen die Briten sollten sie plötzlich gegen die Franzosen kämpfen. Nicht wahr, Herr Hauser? Herr Hauser?«
    Ludwig öffnete die Augen und sah auf das Publikum, das ihn fixierte. Lauter schwarze Krähenaugen. Sie warteten nur darauf, ihn in Stücke zu hacken. Aber darauf konnten sie lange warten. Er würde sich nicht einschüchtern lassen.
    »Für mich waren sie nur Verräter«, sagte er zu Kher.
    Während im Saal ein regelrechter Tumult losbrach, glaubte er plötzlich durch die offene Tür des Tagungsraumes Madita zu sehen, deren Freund mit seinen blonden Haaren aus einer Traube von Menschen herausragte. Er wollte von der Bühne hinuntersteigen. Aber Kher hielt ihn am Ärmel fest.
    »Herr Hauser! Sie sollten sich jetzt besser nicht unter die Zuschauer begeben. Ich glaube, es ist besser, wir gehen hinten herum hinaus. Sie sehen nicht sehr wohl aus!«
    Nicht sehr wohl. Das war gar kein Ausdruck dafür, wie er sich fühlte. So würde er sie nie wiederfinden. Und die Zeit lief ihm davon.

55 Shopping Mall
    Cal, immer höflich, ganz der perfekte Gastgeber, hat euch geraten, in der Asiatic Library nach alten und neuen Stadtplänen zu suchen. Gleich nach dem Frühstück ist er in sein Tonstudio abgerauscht.
    Du fragst dich, was er wirklich über dich denkt. Mit Nick verbindet ihn die Musik, ihr Sarkasmus, und denk lieber nicht darüber nach, was sonst noch alles. Mit dir verbindet ihn nichts. Nur ein paar Pigmente in der Haut und eine ähnlich geschnittene Nase. Es scheint ihm Spaß zu machen, dich damit aufzuziehen und zu verunsichern, als wärest du unfreiwillig in einer Aufnahmeprüfung gelandet. Auf jeden Fall spürst du seine Neugier, seinen Forschungstrieb, wenn er dich fasziniert beobachtet wie einen Käfer, der auf dem Rücken liegt und mit den Beinen strampelt.
    In der Bibliothek, einem fragilen viktorianischen Prachtbau, stapeln sich Bücher und Papiere auf wackeligen Holzregalen bis unter die Decke. Nach einem kryptischen System von Tausenden kleiner Karteikarten hat euch eine junge Frau in fünf Minuten zwei Stadtpläne organisiert. Beide liegen jetzt ausgebreitet auf dem Tisch.
    Nick

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