Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cut

Cut

Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kroeger
Vom Netzwerk:
er ließ sich schnell etwas einfallen, um Mattie zu trösten, die neben ihm auf dem Rand dieses Springbrunnens hockte, während Bombays Shopping-Elite gelangweilt von Schaufenster zu Schaufenster schlenderte. Ihm war kalt hier drinnen und das Plätschern des Wassers hallte dröhnend in seinen Ohren.
    »Ich dachte, wir sind ganz nah dran«, murmelte Mattie.
    Im Fenster einer Buchhandlung tauchte eine ältere Frau im Sari mit einer überdimensionalen Brille auf. Vorsichtig staubte sie die ausgelegten Bildbände über die Schweizer Bergwelt ab. Dabei mussten sie ihr aufgefallen sein, denn kurz darauf trat sie aus dem Laden.
    »Möchten Sie nicht hereinkommen und unsere Fotografien aus Rajasthan anschauen?«, fragte sie freundlich. »Oder kann ich sonst etwas für Sie tun?«
    Eher aus Höflichkeit und weil sie ja nicht ewig auf dem Brunnen sitzen bleiben konnten, traten sie in den Laden. Mattie fragte die Verkäuferin, ob sie die Gegend schon kannte, bevor die Mall gebaut wurde. Die Frau redete gestikulierend auf sie ein, während Nick zwischen den Regalen herumschlenderte. Er ließ seine Finger über die Buchumschläge gleiten. In der zweiten Regalreihe blieb sein Blick an einem dicken Bildband hängen. More British Than In Britain – Traditional Clubs In Bombay lautete der Titel. Nick musste lächeln. »Das koloniale Erbe«, sagte er leise und begann in den Hochglanzfotografien zu blättern. Plötzlich stutzte er. Es stand unter dem Foto eines alten Hauses. Ballad Piers – Traditionsreicher Club der indischen Marine.
    Seine Müdigkeit war schlagartig weg. Er stürzte zur Kasse, entschuldigte sich bei der Frau, dass sie schnell zu einem Termin müssten, bezahlte das Buch und zog Mattie nach draußen.
    Sie war sauer, weil er sie mitten aus der Unterhaltung gerissen hatte, aber er ließ sie gar nicht erst loslegen.
    »Guck doch mal hier!« Er hielt ihr das Buch unter die Nase. »Mattie, das ist es. Damit kriegen wir ihn! Einmal im Club, immer im Club!«

56 Wanderkino
    Cal musste lachen, als Mattie zu der Geschichte mit der Shopping Mall kam. Er wusste genau, welchen Glaspalast sie meinte. In der Mall war eine berüchtigte Rolltreppe, auf der es immer wieder zu Unfällen kam, weil Leute mit ihren Haaren oder Kleidern stecken blieben und mitgeschleift wurden.
    Es war schon spät. Mattie und Nick hatten ihn nach der Arbeit im Studio abgeholt und sie schlenderten langsam nach Hause. Mattie, die zwischen ihm und Nick lief, konnte ziemlich gut erzählen, jetzt, wo sie endlich mal den Mund aufmachte.
    Den ganzen Tag hatte er sich gefragt, ob es ein Fehler gewesen war, Nick und seine Freundin zu sich einzuladen. Mattie schien einen Haufen Probleme mit Indien zu haben und dann noch ein spezielles mit ihm. Dabei hatte sie überhaupt keinen Grund für ihre Ablehnung. Sie lebte mit Nick zusammen und konnte sich seiner sicher sein. Er dagegen musste versuchen, sich seine Gefühle so schnell wie möglich aus dem Kopf zu schlagen, wenn er sie als Freunde gewinnen wollte.
    Wollte er das? Auf jeden Fall war es schön, nicht alleine durch die Nacht zu wandern. Auch wenn ihm diese halbe Stunde normalerweise heilig war. Die Straßen waren nachts fast leer. Er konnte endlich laufen, ohne von Menschen, Tieren und Autos gebremst zu werden. Es war die halbe Stunde, in der seine Songs entstanden. Die Zeit, in der er sich vorsichtig eine Zukunft zusammenträumte, die ihm bei Tageslicht unerreichbar schien.
    Er betrachtete Matties Profil, während sie weitererzählte. Ihre Haut war in der Sonne nachgedunkelt. Im spärlichen Licht der Straßenlaternen hätte sie als Inderin durchgehen können. Sie erinnerte ihn an die Kinder der Non Resident Indians, die in Seattle oder Manchester aufgewachsen waren und in letzter Zeit verstärkt in der Bombayer Szene auftauchten. Sie kamen angejettet, machten es sich in der Zweitwohnung bequem und genossen es, mit ihren schicken Klamotten und neuen CDs im Mittelpunkt der indischen Verwandtschaft zu stehen.
    Er fragte sich, wie Mattie reagieren würde, wenn sie tatsächlich ihren Vater fand. Eine indische Großfamilie konnte einem ganz schön auf die Nerven gehen, besonders wenn man es nicht gewöhnt war. Und Mattie hatte nicht die geringste Ahnung. Sie war wirklich ein gut getarnter Marsmensch, wie Nick immer sagte. Cal schickte ihm über Matties Kopf hinweg ein Lächeln.
    Nick wich dem Blick aus und legte demonstrativ seinen Arm um Matties Schultern. »Hey, ist das nicht toll? Wir laufen im Januar durch die

Weitere Kostenlose Bücher