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Cut

Cut

Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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obwohl er mitten in einer anstrengenden Ermittlung steckt. Er ist ein sehr liebenswerter Mensch, und ich war froh, dass er angerufen hatte.
    «Scheiße», sagte er plötzlich. «Ich muss los, Street.»

8
    I ch wusste nicht genau, wie lange ich schon geschlafen hatte, als mein Handy klingelte. White Trash lag auf meinem Bauch. Normalerweise habe ich nichts dagegen, aber neuerdings legte sie sich immer so hin, dass ich beim Aufwachen das zweifelhafte Vergnügen hatte, direkt auf ihren Hintern zu sehen. Aerosmiths
Dude Looks Like A Lady
dröhnte aus meinem Telefon, der Rauser-Klingelton. Da ich mir nicht sicher war, ob er diesen Humor verstehen würde, hatte ich ihm das lieber nicht erzählt.
    «Alles klar?», fragte ich und sah auf den Wecker. Drei Uhr früh.
    «Ich habe einen weiteren Brief erhalten. Es ist nicht zu glauben, Keye. Der Kerl ist völlig durchgeknallt.»
    Ich schwieg.
    «Keye. Bist du wieder eingeschlafen?»
    «Ja», log ich. Ich wusste wirklich nicht, ob ich ihm helfen oder das Handy auf den Nachttisch werfen sollte. In der Vergangenheit hatte ich versucht, klare Grenzen zwischen seiner Arbeit und meinem Leben zu ziehen und zu sagen, wenn es in Ordnung war oder nicht, dass sich beide Ebenen vermischten, aber ich war wohl nicht deutlich genug gewesen. Polizeiermittlungen zerren an mir wie eine Droge, wie warmer Wodka Lemon, und ich empfinde regelrecht Hassliebe für diese Arbeit, die immer mein Traum gewesen war.
    «Ich faxe ihn rüber, okay? Sieh ihn dir nur mal an. Ich werde dich nicht wieder bitten, aber heute Nacht brauche ich deine Meinung. Er hat uns eine Frist gegeben. Drei Tage, dann tötet er wieder.»
    Ich ließ diese neue Schreckensmeldung sacken, richtete mich im Bett auf und dachte wieder an die Fotos von den Tatorten, an Lei Koto auf dem Boden ihrer Küche und an Bob Shelby und an Elicia Richardson und an Anne Chambers, die in ihrem Zimmer im Wohnheim misshandelt worden war. Ich dachte an ihr Blut, an die Qualen, die sie im letzten Moment ihres Lebens erlitten hatten. Beim Anblick der Fotos hatte ich es geahnt. Drei Tage.
    In alten Boxershorts von Dan und einem T-Shirt wankte ich in die Küche. Mein Blutzuckerspiegel war am Boden. Ich fand eine Flasche Traubensaft und musste an die ersten Tage im Entzug denken. In der Phase der «Entgiftung» wurde ich mit einer Menge Ersatzstoffen versorgt, unter anderem mit Phenobarbital und mit Traubensaft. Eine Schwester erzählte mir, dass Traubensaft auf die gleiche Weise wie Cognac in meinen Organismus strömen und mich austricksen würde. Sie hatte recht. Am vierten Tag begannen sie, diese Krücken abzusetzen. Zuerst das Phenobarbital. Am fünften Tag nahmen sie mir den Traubensaft weg, worüber ich noch immer ziemlich sauer bin. Als ich nach der Entlassung das erste Mal wieder einkaufen ging, füllte ich sofort meine Vorräte auf. Wenn ich Rauser besuche, schenkt er mir ein Whiskeyglas mit Traubensaft ein, genehmigt sich selbst einen billigen Bourbon, und dann stoßen wir an und lassen uns vor dem Fernseher nieder, um uns ein Spiel der Atlanta Braves anzuschauen.
    Ich dachte an Rauser, seufzte und lehnte mich mit meinem Saft an die Küchenanrichte. Ich spürte, wie schlechtes Gewissen in mir aufkam. Auch so ein Überbleibsel aus meinerZeit als praktizierende Alkoholikerin. War ich wirklich so egoistisch? Rauser verfügte über eine Menge Personal, dessen Hilfe er jederzeit in Anspruch nehmen konnte, aber er war nicht leicht zufriedenzustellen. Die psychologischen Gutachten aus dem FBI hatten ihn nicht gerade begeistert. Außerdem mochte er es nicht, wenn Kräfte von außen in seinem Revier ermittelten, und er arbeitete nur ungern mit fremden Behörden zusammen. Tatsächlich lösen ortskundige Polizisten die Probleme in ihrer Stadt besser als andere.
    Im Wohnzimmer hörte ich das Brummen des Faxgerätes. White Trash rieb sich an meinen Beinen und wartete auf ihr Frühstück. Dass wir vier Stunden früher auf waren als sonst, schien ihre Gewohnheiten nicht zu irritieren. Ich füllte ihren Teller und ging ins Wohnzimmer.
    Woher kommt diese Last in meiner Brust, dieses Zittern, fragte ich mich. Hatte ich Angst, dass ich es ohne Alkohol nicht schaffen würde, dass ich mich in diese grausame Welt nicht einfühlen konnte, ohne etwas zu trinken? War ich mit Alkohol eine bessere Profilerin gewesen? Bestimmt konnte ich mich damals besser auf zügellose, destruktive Kräfte einstimmen, aber leider waren es hauptsächlich meine eigenen. Vielleicht musste ich

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