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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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Mitte dreißig, sein hellblaues Oberhemd war bis über den Steiß hochgeschoben, darunter konnte man deutliche Bissspuren erkennen. Ein Arm hing vom Bett, der andere lag ausgestreckt auf dem Kissen. Er war muskulös und durchtrainiert.
    «Bestimmt sind Sie der Grund dafür, dass ich hier bin», sagte Jo Phillips hinter mir, senkte dann die Stimme, damit niemand sonst sie hören konnte. «Meistens arbeitet die Polizeinur mit ihren eigenen Leuten, und die sind ziemlich gut, aber das hier ist mein Spezialgebiet. Ich kümmere mich
nur
um die Analyse der Blutspuren. Seit drei Jahren sage ich ihnen, dass Blutspuren die äußeren Zeichen für das sind, was im Kopf eines Täters vorgeht, dass sie nicht nur etwas über die Tat, sondern auch über das Verhalten des Täters aussagen und dass sie deshalb einen Experten verdienen.» Sie lachte leise und bitter, dann schüttelte sie den Kopf. «Aber ich höre immer nur, dass der Etat dafür nicht reicht. Mensch, Sie müssen echt Einfluss haben, Keye.»
    «Einfluss? Bei Rauser? Er weiß einfach nicht mehr weiter», antwortete ich und lächelte.
    «Ich glaube, wir werden gut zusammenarbeiten», sagte Jo, sah mich freundlich an, schob mich sanft zur Seite und beugte sich über die Leiche. Sie presste einen Tupfer auf die blutgetränkte Decke, der langsam dunkler wurde. Ich wusste, dass sie ihn erst an der Luft trocknen lassen würde, ehe sie ihn in ein steriles Reagenzglas steckte. Sie schaute hoch zu mir und lächelte wieder. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mit mir flirtete, aber wir waren bei der Arbeit, an einem Tatort, und insofern wäre das, nun ja, ziemlich unheimlich.
    Sie betrachtete das Kopfende des Bettes und den Nachttisch. «Es ist bis dorthin gespritzt», sagte sie und nahm ein paar Abstriche von den Möbeln, die sie vorsichtig in ein Reagenzglas gab, ehe sie für jede Probe ein Etikett ausfüllte. Danach machte sie Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln. In den nächsten Stunden würde Jo Phillips ein kompliziertes System aus Fäden anlegen, mit dessen Hilfe sie eine dreidimensionale Rekonstruktion des Tathergangs erstellen und die Entfernung der Bluttropfen von der Leiche und der Blutspuren voneinander abmessen konnte. Sie würde die einzelnen Spuren auf der Kleidung des Opfers, auf der Decke, amKopfende des Bettes und an den Wänden analysieren, und sie würde unterscheiden, ob das Blut zum Beispiel geronnen oder aus einer Arterie gespritzt oder von einer Waffe getropft war. Indem sie eine Linie durch die Achse einer Reihe von Blutspuren zog, konnte sie ermitteln, wo der Täter gestanden hatte, aus welchem Winkel der Angriff erfolgt und mit welcher Bewegung die Waffe geführt worden war. Später, im Labor, würde sie am Computer weitere Berechnungen anstellen, die schließlich Aufschluss über die grausame Geschichte der Interaktion zwischen Opfer und Täter gaben. Experten wie Phillips spielen eine wesentliche Rolle bei einer gründlichen Rekonstruktion des Tathergangs. Und die Analyse von Blutspuren ist vor Gericht beinahe unanfechtbar. Ich trat einen Schritt zurück, damit sie Platz zum Arbeiten hatte. Sie ging methodisch und sorgfältig vor, genau so, wie man es von einer Expertin erwartete. Mein Gott! Wäre sie noch perfekter gewesen, ich hätte bestimmt brechen müssen. Mir wurde bereits übel.
    «Was meinst du zur Bettdecke?», fragte Rauser, der an der Schlafzimmertür stand. «Darunter gibt es bestimmt Wunden zu sehen. Weshalb ist er zugedeckt worden?»
    Ich hatte keine Ahnung, wie lange er schon dort gestanden hatte. Rauser ist ein Typ, der sich eine Szene genau einprägen kann und später nur die Augen schließen muss, um sie in allen Einzelheiten vor sich zu sehen. Er hat ein Gefühl für Tatorte, er ist durch und durch Ermittler.
    «Der Täter hat das Opfer geschützt. Dadurch, dass er es nicht entblößt hat, hat er versucht, die Erniedrigung zu minimieren», sagte ich. «Könnte auf eine frühere Beziehung hindeuten. Oder das Opfer symbolisiert einen Menschen, der bedeutsam für den Mörder ist. Ein Elternteil, ein Ehepartner, Bruder, Schwester – jedenfalls ein Mensch, für den er aufrichtigeZuneigung empfindet. Es ist eine beschützende und liebevolle Geste.»
    «Schöne Art, seine Liebe zu zeigen», brummte Rauser. «Das könnte selbst ich besser.»
    «Behauptest du», meinte Jo Phillips, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.
    Rauser grinste und murmelte, dass sie ihn ruhig beim Wort nehmen könnte, dann schaute er sich weiter im Schlafzimmer

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