Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
ein bisschen um und schleift mir jeden her, der mies genug aussieht, kleinen Mädchen Gewalt anzutun.“
Sogar Duice blieb jetzt der Mund offen stehen. Sie alle waren nicht zimperlich, wenn es darum ging, ihren Interessen mit dem Einsatz ihrer robusten Anatomie Nachdruck zu verleihen. Keiner in ihrem Stamm war das. Aber einer Frau Gewalt anzutun, war für sie alle drei ein völlig absurder Gedanke. So etwas hatte es in der langen Geschichte ihres Stammes nie gegeben. Natürlich hatten sie Geschichten gehört, aber diese Barbarei so hautnah mitzuerleben, erschütterte sie alle bis ins Mark.
„Da hat doch wohl nicht ... ich meine ...“, konnte Naginar seine Fassungslosigkeit nicht unterdrücken.
„Krieg dich wieder ein“, schnauzte Loric ihn an. „Wir haben keine Zeit dafür.“ Ausnahmsweise war Naginar nicht beleidigt, sondern hielt tatsächlich den Mund. „Verschwindet jetzt. Ich passe auf die Kleine auf.“
Die beiden nickten langsam und machten sich daran, die Umgebung auf den Kopf zu stellen.
Hinter Loric war es unterdessen totenstill geworden. Als er sich vorsichtig umdrehte, sah er die Wächterin mit seltsam ausdruckslosem Gesicht neben der Leiche knien. Sie hatte den toten Körper sorgsam mit Lumpen zugedeckt und strich ihr zärtlich über den Kopf. Doch das spärliche Mondlicht genügte, um Loric das grüne Eis in ihren Augen brennen zu sehen. Er brauchte keine göttliche Eingebung, um zu wissen, dass dies kein guter Augenblick war, um sie anzusprechen.
Dann, plötzlich wie der zornige Einschlag eines Blitzes, schien sie zu explodieren. Sie brüllte. Brüllte einen unartikulierten Schrei; so voller Wut und Hass, dass Loric zusammenzuckte und zum ersten Mal in seinem Leben weiche Knie bekam. Sie war in diesem Augenblick keine junge Menschenfrau, sondern ein blindwütiges Monstrum. Mit berserkerhafter Wut drosch sie ihre Faust durch ein morsches Holzbrett, zerschmetterte eine alte Regentonne und blieb schließlich mit zitternden Fäusten in der Gasse stehen.
„Ihr Scheißkerle! Ihr habt zugesehen! Ihr alle!“ Ihr Blick irrlichterte einen Augenblick über ihn hinweg, doch sie schien zu Lorics Beruhigung zu begreifen, dass er weder zugesehen hatte, noch der Täter gewesen sein konnte. Sie erschauerte und selbst Loric spürte einen Moment die eisige Kälte des Schwertes über sie hinwegfegen. Das Schwert des Chambarok lebte .
Und die Kälte des Schwertes schien die Wächterin zu erfüllen. Mit brennenden Augen und ausdruckslosem Gesicht trat sie die erstbeste Tür ein und verschwand im Haus. Wie versteinert glotzte er die schief in den Angeln hängenden Überreste der armseligen Tür an, bis ihm klar wurde, dass es wohl an ihm war, die Wächterin seiner Blutlinie davon abzuhalten, sich noch unglücklicher zu machen. Eigentlich hatte er sich das Verhältnis zu ihr anders vorgestellt.
Mit gemischten Gefühlen lief er hinter ihr her. Im Hauseingang kam ihm ein halbstarker Junge von vierzehn oder fünfzehn Jahren entgegen. Irgendwie musste er es geschafft haben, der wütenden Wächterin zu entgehen und schien jetzt das Weite suchen zu wollen. So gut Loric den Jungen verstehen konnte, so wenig konnte er zulassen, dass der Knirps entkam, möglicherweise Hilfe holte und damit den Abend zu einem Blutbad umgestaltete. Mit der Präzision eines vielleicht nicht gerade erfahrenen, aber gut ausgebildeten Kriegers holte seine Faust den jungen Menschen mit einem einzigen Schwinger von den Beinen.
Im Weitergehen warf er sich den Unglücklichen über die Schulter und wollte gerade mit einer systematischen Durchsuchung des Erdgeschosses beginnen, als aufgeregtes Geschrei aus dem ersten Stock zu ihm herunterdrang. Im Laufschritt erklomm er die unter seinem Gewicht beunruhigend knarzende Treppe und rannte eine fette Frau unbestimmbaren Alters über den Haufen. Ihr entsetztes Gezeter endete ebenfalls an seiner Faust. Wüste Flüche ausstoßend befestigte er seine Streitaxt an seinem Gürtel und warf sich seine um einiges schwerere Zweitlast über die noch unbesetzte Schulter. In einem Stoßgebet bat er die Götter darum, dass keine Minotauren, Swato oder Khogun in diesem Haus wohnten. Deutlich verlangsamt walzte er den Flur herunter.
„Wer? Rede!“ Schon von weitem konnte er ihre Stimme hören. Sie bebte vor Wut und war unterlegt vom Gewimmer einer Männerstimme. Ein Körper schlug auf dem Boden auf. Der Mann sagte etwas Unverständliches.
„Meinst du, das kümmert mich, du minderwertiges Stück Dreck?“ Ein
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