Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
des Raumes steht eine große Schale mit glühenden Kohlen. Direkt auf ihnen liegen rote und schwarze Steine, die ihre Form in der wabernden Luft ständig zu verändern scheinen. Sie sind aufwendig geschliffen und scheinen einer besonderen Symmetrie zu folgen. Einige sind rund, andere haben gefährlich anmutende Kanten und Spitzen.
Hinter der Schale steht die lebensgroße Statue einer schlanken Frau. Einzelheiten sind nicht zu erkennen, weil der rote Stein in hell lodernden Flammen steht. Cvon mag die Statue nicht. Das Schwert mag nicht einmal diesen Raum.
Lecune kniet nackt vor der großen Schale mit den Kohlen und spricht in einer Sprache, die Cvon nicht versteht. Sie weiß, dass sie auch nackt sein müsste, und sie wäre es auch, hätte Lecune darauf bestanden. Es ist in Ordnung nackt zu sein, wenn sie beide allein sind, aber sie weiß, dass hier noch jemand ist. Jemand, den man nicht sehen oder hören kann, den man aber fühlt. Und sie will niemals wieder nackt vor Anderen sein.
Lecune hat das gespürt und gesagt, dass es in Ordnung sei. Sie glaubt, dass Cvon vor allem entspannt sein müsse, um auf das Kommende vorbereitet zu sein und hat ihr für den heutigen Tag einen roten, ärmellosen Talar geschenkt.
Lecune hebt die Handflächen gegen die Statue und beginnt laut zu singen. Ihre Stimme ist voll und schön. Aber sie tut dem Schwert weh. Cvon will gehen. Ihr Beschützer leidet. Sie kann fühlen, wie die über ihren Rücken gebundene Klinge heiß wird, spürt, wie Lecunes Stimme auch durch ihre Knochen kriecht und sie zum Zittern bringt. Sie tut ihr weh, aber es ist in Ordnung. Beinahe schön.
Das Schwert will fort von hier, aber sie können nicht gehen. Heute wird Cvon zur Frau. Lecune wird sie zur Frau weihen und sie wird dann kein Kind mehr sein. Heute Abend wird sie als Frau einschlafen; das kleine schutzlose Mädchen wird nicht mehr existieren. Sie wird keine Angst mehr haben, wie eine Erwachsene. Sie weiß, dass das Schwert sie nicht versteht. Das Schwert kennt keine Angst. Das Schwert ist der Tod.
Lecune dreht sich mit lodernden Augen um. Ihr Finger weist auf den Platz neben ihr. Der Blick macht ihr Angst, aber es ist Lecunes Gesicht. Das Gesicht, das sie gerettet hat; das Gesicht, das ihr so viel Liebe gab und aus dessen Mund so viel Trost gesprochen wurde. Sie wird alles tun, was Lecune gut tut.
Cvons nackte Füße steuern auf sie zu. Der Marmor ist warm und glatt. Das Schwert warnt sie, es hat Angst um sie, beschwört sie. Sogar der Tod kennt Angst. Doch Cvon geht weiter und kniet neben Lecune nieder. Sie versteht den Blick der brennenden Augen nicht. Er ist so anders als sonst; scheint sie verschlingen zu wollen. Aber es ist Lecune und sie sieht Freude in ihrem Blick. Sie weiß, dass es richtig war, das Schwert zu ignorieren. Lecune braucht sie.
Eine schlanke Hand beugt Cvons Kopf und streicht dann sanft über ihren Rücken ohne das Schwert zu berühren. Sie erschauert. Sie mag es, wenn Lecune sie berührt. Aber jetzt will sie es nicht. Ihr Kopf bleibt gesenkt und sie sieht zu, wie schlanke Hände ihren Schwertgurt öffnen. Das Schwert beschwört sie, schreit, dass es in ihren Ohren klingelt. Aber es ist Lecune und sie wird alles tun, was Lecune gut tut. Das Schwert ist unglaublich laut, als es zu Boden fällt. Cvon kann es kaum noch hören, obwohl es immer noch schreit und tobt. Ja, es tobt.
Aber Cvon bleibt in der demütigen Haltung. Ihr Vertrauen ist grenzenlos. Lecune sagt etwas zu der Statue und die Statue wirkt beängstigend lebendig. Cvon fühlt sich angestarrt. Das Schwert wird leiser, die Angst lauter.
Lecune beugt sich über die Schale und greift einen scharfkantigen schwarzen Stein. Ihr Schrei übertönt das Zischen ihrer Haut. Cvon weiß, dass der Stein glühend heiß ist. Gelähmt sieht sie, wie nun auch Lecunes andere Hand zugreift, aber sie schreit nicht mehr. Ihre Augen strahlen vor Verzückung und Tränen laufen über ihr Gesicht. Sie stöhnt, als sie den scharfen Stein über ihren Unterarm reibt. Die Haut ihrer Hände ist verbrannt oder hängt lose herab. Namenloses Grauen ist alles, was Cvon fühlt. Das Schwert schweigt.
Lecunes Unterarm ist rot. Blasen bilden sich unglaublich schnell. Doch Lecune weint vor Glück. Ihr nackter Körper bäumt sich auf und steht lichterloh in Flammen. Reine Lust brandet durch den heißen Raum. Sie stöhnt, schreit beinahe. Dann sind die Flammen aus. Lecune zittert und keucht. Der Stein rieselt zu Boden. Ihre Hände sind
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