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Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)

Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)

Titel: Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Krain
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geweckt hat, und der Schmerz überfällt sie aufs Neue. Ihr Brustbein brennt, pocht und juckt. Sie spürt die Feuchtigkeit, die sich selbst zu gelblicher Kruste erstarrend auf der Wunde abgesetzt hat. Die Bilder aus dem heißen Raum überfallen sie. Lecune war dort. Und der Schmerz. Sie weiß nicht, wie sie herkam. Sie weiß nicht, warum sie nicht in ihrem Bett liegt. Sie weiß nicht ...
    Die Erkenntnis, dass sie nackt ist, lässt sie hochfahren. Gnadenloser Schwindel antwortet. Ihr Kopf platzt beinahe, doch sie schafft es, auf alle viere zu kommen. Ohne wirklich zu wissen, was sie tut, kriecht sie auf den Schrank zu. Sie will nicht nackt sein. Sie entzieht ihrem Verstand das Wort. Sie will nicht wissen, was passiert ist.
    Der Schrank ist fest und freundlich wie immer. Er erlaubt ihr, sich an ihm hochzuziehen. Sie ist dankbar, dass er keinen Spiegel hat. Lecunes Schrank hat einen Spiegel. Er ist wie ein Auge in schwarzem Holz. Sie ist froh, dass sie sich nicht sehen muss.
    Die Tür öffnet sich. Freundlich wie immer. Vor ihr hängen die Kleider. Geschenke von Lecune. Sie nimmt ein schwarzes. Man wird die Wunde nicht sehen. Man wird ihr Schandmal nicht sehen. Sie sieht die feine Unterwäsche nicht. Sie hat keine Kraft für Unterwäsche. Sie gleitet in den guten Stoff und es fühlt sich einen Moment wie die Rettung an. Dann saugt sich der Stoff an ihrer Wunde fest. Es brennt und scheuert, aber es ist besser, als nackt zu sein.
    Das Schwert schweigt immer noch.
    Sie geht zur Tür. Der Kopf wird klarer. Ihre Schmerzen auch. Sie muss das Schwert finden. Sie muss Lecune finden. Sie hat Angst, sich selbst nicht wiederzufinden.
    Der Boden schwankt, als sie auf die Tür zutritt. Sie drückt die Klinke herunter, aber die Tür weicht nicht. Sie ist verriegelt. Lecune würde sie nicht einsperren. Das hat sie noch nie getan. Der Riegel muss sich irren. Wieder und wieder rüttelt sie an der Klinke. Sie ruft nach Lecune, die sie schon einmal rettete. Ihre eigene Stimme martert ihren Kopf. Ihr Verstand beobachtet sie trauernd. Irgendwann wird sie ihm zuhören.
    Es dauert lange, bis die Tür auffliegt, und Lecune hereinrauscht. Ihre Augen brennen vor Zorn. Sie lässt Cvon mit einem brutalen Stoß zurück ins Zimmer stolpern. Der Stoß trifft haargenau die Wunde. Cvon weiß, dass es Absicht war. Lecune ist wütend. Sie ist hier, um ihr weh zu tun. Eine schallende Ohrfeige reißt Cvons Kopf herum. Dann noch eine und noch eine. Die schlanken Hände berühren sie, um Schmerz zu geben. Doch der Schmerz in Cvon nimmt ihre glühenden Wangen gar nicht wahr.
    „Was willst du noch von mir, du kleine Nutte?“ Lecune faucht sie an. Nichts als Hass und Verachtung liegt in ihrem Blick. Cvon kann nichts tun als sie mit großen, entsetzten Augen anzustarren. Sie will etwas sagen, doch eine weitere Ohrfeige verschließt ihr den Mund.
    „Besudele mich nie wieder mit deinen Worten, du räudiges Stück Dreck! Loy hat dich entlarvt! Du bist unrein! Und du hast mich dazu gebracht, dir die heiligen Weihen angedeihen zu lassen. Das verzeihe ich dir nie! Hätte ich dich doch bloß dem Straßenpöbel überlassen! Möge Fäulnis deinen Körper bei lebendigem Leib von den Knochen lösen! Und hör auf mich anzuglotzen!“
    Wieder lässt eine Ohrfeige ihren Kopf herumfahren, doch Cvon bemerkt sie nicht. Sie begreift nicht, was Lecune wie eine Furie brüllt. Sie sieht nur ihre Augen, deren weicher Blick die Welt für sie bedeutet hat. Doch jetzt brennen sie vor Hass.
    „Der Resat wird entscheiden, was mit dir geschieht. Wenn du mich bis dahin noch einmal störst, nur ein einziges Mal, so schwöre ich, dass du es bereuen wirst!“ Sie fährt herum und schiebt eine Wand aus Zorn vor sich hinaus. Die Tür knallt hinter ihr in den Rahmen. Der schwere Riegel ist wie ein stumpfes Beil, das laut scheuernd in seiner gusseisernen Führung hochkommt und sich mit kalter Endgültigkeit verankert. Für einen Teil von ihr ist es ein Henkersbeil. Doch der Mensch, der noch in ihr ist, fällt zitternd auf die Knie und fängt tonlos an zu weinen. Ihr Körper zuckt und bebt unter einer Last, für die sie nicht geschaffen ist. Dann öffnet sich ihr Mund und die weidwunde Seele schreit ihren Schmerz hinaus. Irgendwo verspricht der Wahnsinn Milderung, doch sie wehrt ihn mit Energie ab, die sie nicht besitzt.
    Sie greift in ihr Kleid. Ihre Finger finden das Schandmal und versuchen, es herauszureißen. Immer wieder greift sie in die nässende Wunde. Der Schmerz zwingt sie zum

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