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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Farbstoffe an ihrem Kernresonanzspektrum zu erkennen, die man für Markierungen benötigte, etwa zum Ausrichten des Körpers oder für die Identifizierung von Patienten. Einer der Techniker war so freundlich gewesen und hatte ihr einen Markierstift »Nummer drei« überlassen – und den Scanner programmiert, diesen Farbstoff beim Abtasten zu ignorieren.
    Sie zog ihre Hände unter dem Laken hervor. Auf der linken Handfläche war noch immer zu lesen: DU BIST KEINE KOPIE.
    Sie befeuchtete mit der Zunge ihre Fingerspitzen und rieb so lange, bis die unnötig gewordenen Buchstaben verschwunden waren.
     
    Es war halb eins, als Maria in Durhams Wohnung im Norden Sydneys eintraf. Zwei Terminals waren auf dem Küchentisch aufgebaut, ansonsten war die Wohnung so leer und ungastlich wie bei ihrem letzten Besuch.
    Obwohl es – technisch gesehen – überflüssig war, hatte Maria darauf bestanden, daß sie und Durham beim START – wie er den Anfang des Projekts nannte – an ein und demselben Ort zusammen waren, während der ersten Sekunden, in denen das TVC-Universum als Programm eines realen Computers betrieben wurde. Dem Vorgang, der die Entstehung eines eigenen, abgeschlossenen und sich selbst erhaltenden Universums einleiten sollte, das – unabhängig von jedem irdischen Computer – weiterbestehen und sich fortentwickeln sollte. So konnte sie wenigstens sehen, daß er Tasten betätigte oder mündliche Anweisungen gab, ohne sich fragen zu müssen, ob er auch wirklich das tat, was sie über Bildschirme und Datenleitungen zu sehen bekam. Sie hatte keine Ahnung, woher ihr Mißtrauen rührte und was sie eigentlich befürchtete – aber Durham war ein hochintelligenter Mensch mit äußerst seltsamen Vorstellungen, und sie konnte wirklich nicht wissen, ob er seine Wahnideen in ihrem ganzen Ausmaß, mit allen bizarren Einzelheiten preisgegeben hatte. Seine Klienten hatten seine Geschichte zu einem Teil bestätigt – und sie besaßen überdies genügend Mittel, um weit mehr von Durhams Geschichte zu prüfen als sie selbst –, aber es war trotzdem nicht ausgeschlossen, daß Durham seine wahren Pläne auch ihnen hatte vorenthalten können.
    Maria hätte ihm nur zu gerne vertraut, hätte gerne geglaubt, daß sie endlich die Wahrheit erfahren hatte. Aber sie machte sich keine Illusionen darüber, wie sehr sie sich irren konnte. Sie war sich sicher, ihn gut genug zu kennen, um nicht um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten zu müssen – aber es blieb noch immer die Möglichkeit, daß sich alles als irreführend erweisen konnte, was sie von und über diesen Mann erfahren hatte. Wenn er zum Spülbecken gehen und mit einem großen Messer in der Hand wieder auftauchen sollte und dabei ganz ruhig erklären würde, daß er sie dem Gott des Neumonds opfern müßte, hätte sie immer noch keinen Grund, überrascht zu sein oder sich hintergangen zu fühlen. Man konnte eben nicht aus den Verrücktheiten der Leute Kapital schlagen und zugleich zivilisiertes Verhalten als selbstverständlich annehmen.
    Aber der Fleisch-und-Blut-Durham war nicht das einzige Problem. Wenn das Simulationsprogramm für den TVC-Automaten gestartet war, konnten weder sie noch Durham in den Ablauf eingreifen. Jede Manipulation von außen würde die Gesetzmäßigkeiten des Automaten verletzen – also die Naturgesetze des neuen Universums – und das ganze Projekt zu einer Farce machen. Nur Durhams Kopie, die in dem simulierten TVC-Automaten betrieben wurde, würde in Übereinstimmung mit diesen Gesetzen agieren können. Sie hatten zwar jederzeit die Möglichkeit, das Projekt abzubrechen, es abzuwürgen … aber nur die Kopie hatte alle Schalthebel in der Hand.
    (Abgesehen davon, daß nach Durhams Überzeugung ein Abbruch der Simulation im Falle einer schwerwiegenden Panne das Entstehen des neuen und eigenständigen Universums außerhalb ihrer Kontrolle nicht verhindern konnte … auch wenn ihnen als Trost noch genügend Rechenzeit für einen weiteren Versuch bleiben würde.)
    Wenn dieses Universum erst existierte, dann waren ihnen die Hände gebunden. Ihr einziger Einfluß beschränkte sich auf die Festlegung der anfänglichen Garten-Eden-Konfiguration, die alle Programme enthielt, denen das TVC-Gitter zu Beginn folgte. Einen Teil dieser internen START-Software hatte Maria selbst geschrieben, den Rest hatte Durham übernommen oder anderswo in Auftrag gegeben – all das hatte sie eigenhändig überprüft. Auch eine Sicherung hatte sie eingebaut: Alle Kopien bis

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