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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Wirklichkeit werden sollte – selbst wenn sich Ihre wunderschöne Theorie als richtig erweisen sollte: Was haben Ihre Hintermänner denn gewonnen? Sie schicken ihre Klone in ein Gefängnis, in Einzelhaft, das ist alles. Sie könnten ihre Dateien genausogut in einen Sarg packen und irgendwo in einem Bergwerksschacht vergraben.«
    Durham sagte leise: »Das ist nicht ganz richtig. Sie reden von zehntausend Jahren, aber wie wäre es mit zehn Millionen? Mit hundert Milliarden?«
    Sie verzog verächtlich den Mund. »Es gibt einfach nichts, was so lange überdauert. Wußten Sie das nicht? Man hat genug Dunkle Materie gefunden, daß sich in spätestens vierzig Milliarden Jahren die Expansion des Universums umkehrt …«
    »Richtig. Dieses Universum wird nicht ewig bestehen.«
    Maria nickte sarkastisch und wollte eine herabsetzende Bemerkung machen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.
    Durham fuhr unbekümmert fort. »Das TVC-Universum wird nie kollabieren. Niemals. Hundert Milliarden Jahre, hundert Billionen – das spielt keine Rolle. Es wird sich bis in alle Ewigkeit immer weiter ausdehnen.«
    Schwach erwiderte Maria: »Die Entropie …«
    » … spricht nicht dagegen. Genaugenommen ist ›ausdehnen‹ nicht das richtige Wort. Das TVC-Universum wächst wie ein Kristall, nicht wie ein Ballon. Denken Sie darüber nach. Die Expansion des normalen Raums erhöht die Entropie – die Entfernung und die Unordnung nehmen zu. Wächst dagegen der TVC-Automat, dann gewinnt man mehr Raum für Daten, für Rechenleistung, für Ordnung. Normale Materie besteht nicht für die Ewigkeit, aber unsere TVC-Computer bestehen nicht aus Materie. Es gibt keine Naturgesetze in unserem Zellularautomaten, die ihn daran hindern könnten, ewig weiterzumachen.«
    Maria wußte nicht mehr genau, was sie sich bisher vorgestellt hatte. Daß Durhams Universum – das aus demselben Staub wie das wirkliche bestand, nur neu geordnet – auch dasselbe Schicksal erwartete? Sie konnte nicht allzu gründlich darüber nachgedacht haben, denn das Ergebnis machte keinen Sinn. Die Umordnung des Staubes betraf nicht nur den Raum, sondern auch die Zeit. Durhams Universum konnte sich einen Punkt der Raumzeit wenige Sekunden vor dem großen Kollaps aussuchen und auf ihn einen anderen aus der Zeit der Dinosaurier folgen lassen. Und wenn es auch nur eine endliche Menge von Staub gab, dann war das noch kein Grund, daß sie nicht in verschiedenen Kombinationen immer wieder benutzt und neu arrangiert werden konnten. Das Schicksal des TVC-Automaten hing nur von ihm selbst ab, mußte nur nach seinen eigenen Gesetzen Sinn ergeben. Und was für einen Grund sollte er haben, zu einem Ende zu kommen?
    Sie sagte: »Dann haben Sie also diesen Leuten … Unsterblichkeit versprochen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Buchstäblich Unsterblichkeit? Auch nach dem Ende unseres Universums?«
    Durham tat unschuldig, aber er genoß offensichtlich den Schock, den er ihr versetzt hatte. »So lautet jedenfalls die Bedeutung des Wortes, oder? Nicht: sterben nach sehr, sehr langer Zeit, sondern: nicht sterben, Punkt.«
    Maria lehnte sich an die Wand, verschränkte die Arme und versuchte das Gefühl zu verscheuchen, daß dieses Gespräch ebenso substanzlos sein könnte wie Durhams Alpträume in der psychiatrischen Klinik von Blacktown. Sie dachte: Wenn Francesca den Scan hinter sich hat, dann werde ich Ferien machen. Wenn es sein muß, besuche ich vielleicht sogar Aden in Seoul. Alles ist besser, als in dieser Stadt zu sein, in der Nähe dieses Mannes.
    Sie sagte: »Mit solchen Ideen sollte man vorsichtig sein. Wer weiß, welchen Schaden sie anrichten können.«
    Zum ersten Mal sah Durham gekränkt aus. Er antwortete: »Ich wollte nichts weiter als ehrlich sein, glauben Sie mir. Ich weiß, ich habe Sie belogen, anfangs – es tut mir leid. Ich hatte kein Recht, das zu tun … Aber was sollte ich anfangen mit dem, was ich als richtig erkannt hatte? Sollte ich die Wahrheit für mich behalten? Sie vor der Welt verbergen? Damit kein anderer je Gelegenheit haben würde, daran zu glauben oder auch nicht?« Er sah ihr direkt in die Augen, ruhig und normal wie immer. Sie wich seinem Blick aus.
    Er sagte: »Als ich das erste Mal aus der Klinik entlassen wurde, wollte ich alles veröffentlichen. Ich habe es versucht, aber niemand, der einen Namen hatte, war daran interessiert … und es den pseudowissenschaftlichen Magazinen zu überlassen wäre dem Eingeständnis gleichgekommen, daß alles Unsinn ist.

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