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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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strukturlosen weißen und blauen Würfeln der Prozessoren wurden komplizierte dreidimensionale Gitterstrukturen in allen möglichen Farben, ein filigranes Netzwerk, das von Lichtsignalen durchpulst wurde.
    Während des Prozesses der Reproduktion der äußeren Prozessoren waren Hunderte von paarweise rot und grün leuchtenden »Konstruktionsdrähten« zu erkennen, die senkrecht von der Oberfläche aus in den leeren Raum hinaus wuchsen, bis sie alle dieselbe vorherbestimmte Länge erreicht hatten, worauf sie eine abrupte Hundertachtzig-Grad-Kurve vollführten und parallel zu ihrer ursprünglichen Bahn zurückeilten. Ein unaufhörliches Zickzack zwischen der Oberfläche des »Muttercomputers« und einer unsichtbaren Grenzfläche – so lange, bis der gesamte Zwischenraum wie von eigenartigen elektronischen Seidenfäden ausgefüllt und zu einem Kokon gesponnen war.
    Bei noch stärkerer Vergrößerung lösten sie die Drähte in lange Reihen von Zellen auf, deren Enden mit einer Art Pfeilspitze markiert waren, einige in helleren Farbtönen, die aktivierte Zustände symbolisierten. Leuchtende Bänder, erbaut aus binärem Code von hell und dunkel, wanderten an den Drähten entlang von Spitze zu Spitze: die Daten der Konstruktionspläne des neuen Prozessors, die aus dem zentralen Gedächtnis herbeigeschafft wurden.
    Bei noch weiter herabgesetzter Taktrate konnte man den Vorgang in allen Einzelheiten erkennen. Wo immer ein Lichtband das Ende eines »Konstruktionsdrahtes« erreichte, verwandelte sich das unsichtbare »Vakuum« des Nullzustandes in eine »embryonale« Zelle, die als Undefinierter grauer Kubus dargestellt wurde – eine Pfeilspitze. Die folgenden Lichtpunkte enthielten die Daten, die über die weitere Entwicklung der Pfeilspitze entschieden und sie Schritt für Schritt dem erforderlichen Endzustand näherbrachten. Die »Konstruktionsdrähte« wuchsen aus dem Muttercomputer, indem sie sich nach diesem Prinzip in den Raum ausbreiteten und an ihrem Ende selbsttätig immer neue Zellen aufbauten.
    War der gesamte Raum zwischen Mutter- und Tochtercomputer aufgefüllt, dann kehrte sich der Vorgang um – die Konstruktionsdrähte zogen sich schrittweise auf dem Weg zurück, auf dem sie »gewachsen« waren; der Kokon löste sich auf, und zurück blieb das, was nach den Konstruktionsplänen errichtet worden war. Der ganze Vorgang sah unglaublich umständlich aus – das Wachsen und Schrumpfen der Drähte benötigte weit mehr Zeit als die Entstehung der neuen Zellen des Tochtercomputers – doch auf diese Weise ließen sich die Gesetze des Automaten so einfach wie möglich halten.
    Durham sagte: »Bisher sieht alles recht ordentlich aus. Können wir fortfahren?«
    »Sicher.« Maria war wie hypnotisiert; sie hatte ihre Ungeduld vergessen und beinahe sogar sich selbst. »Machen Sie voran!« Eine Taktgeschwindigkeit, die ihnen erlaubte, die Ereignisse auf der Ebene einzelner Prozessoren (nicht zu reden von einzelnen Automatenzellen) zu verfolgen, wäre kaum groß genug gewesen, um mit der Arbeit jemals fertig zu werden. Durham setzte den Rechentakt so hoch, wie sie es sich (finanziell) leisten konnten, und das Gitter auf den Bildschirmen verschwamm.
    Der nächste Schritt würde ihre Geduld ohnehin auf eine harte Probe stellen. Durham nutzte die Zeit, um sich um mehr Kaffee und Sandwiches zu kümmern. Der Wasserkopf einer Kopie auf einem Computersystem, das selbst nur eine Simulation war, führte zu einem Verlangsamungsfaktor von rund zweihundertfünfzig. Mehr als vier Minuten realer Zeit für eine subjektive Sekunde der Kopie. Es gab keine Möglichkeit einer Kommunikation in beide Richtungen – das TVC-Universum war hermetisch abgeschlossen, und keinerlei Daten, die nicht von Anfang an darin enthalten gewesen waren, konnten es in irgendeiner Weise beeinflussen – Paul und Maria konnten nur beobachten, was darin vorging. In jeder Stunde konnten sie vierzehn weitere Sekunden aus der Existenz von Durhams Kopie miterleben.
    Maria überprüfte stichprobenartig die Funktionen anderer Ebenen, beginnend mit der Software, die unmittelbar auf dem TVC-Gitter aufgesetzt war. Die »Maschinensprache« des TVC-Computers war – ob sechsdimensional oder nicht – genauso undurchschaubar und absurd wie die jeder anderen hypothetischen Turing-Maschine auch, aber es war relativ einfach gewesen, vermittels eines Metaprogramms ein Programm zu generieren, das einen konventionellen Computer simulierte (und seine Funktion hinreichend verifizierte).

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