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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Somit simulierten die Prozessor-Cluster in Tokio, Dallas oder Seoul einen Zellularautomaten, der aus einem vieldimensionalen Gitter immaterieller Computer bestand … die wiederum die Logik (wenn auch nicht die Physik) der Prozessor-Cluster simulierten. Von diesem Punkt an verlief alles genauso wie auf einem realen Computer – nur eben sehr viel langsamer.
    Maria kaute an ihrem Sandwich, Käse und Salat zwischen zwei dicken Scheiben Weißbrot. Es war Dienstagnachmittag. Aus den umliegenden Wohnungen war kein Geräusch zu hören, und die Straße unten war menschenleer. Die Bürohäuser gegenüber hatten noch keine Mieter gefunden, und einige Hausbesetzer hatten sich still und leise einquartiert; Maria konnte dort, wo das Sonnenlicht im passenden Winkel einfiel, zum Trocknen aufgehängte Wäsche auf Leinen erkennen, die zwischen den Trennwänden gespannt worden waren.
    Durham schaltete Musik ein; eine Oper aus dem zwanzigsten Jahrhundert, Einstein am Strand. Er besaß keine Musikanlage, sondern rief den Titel aus der für den Garten Eden gekauften Musikbibliothek auf und ließ ihn als Hintergrundoperation über die Terminallautsprecher abspielen.
    »Was werden Sie tun, wenn wir das hier hinter uns gebracht haben?« fragte Maria.
    Durhams Antwort kam ohne Zögern. »Alle fünfzig vorgesehenen Experimente zu Ende bringen. Den Planeten Lambert zum Leben erwecken. Eine Woche lang feiern und faulenzen. Die Hauptstraße von Cyber-City entlangspazieren. Warten, bis Ihre eingebaute Sicherung grünes Licht gibt. Meine Mitbewohner aus dem Schlaf holen – und hoffen, daß sie wenigstens hin und wieder mit mir reden wollen. Endlich Dostojewski lesen, auf Russisch …«
    »O ja, netter Scherz. Ich meinte Sie, nicht ihn.«
    »Ich halte ihn und mich für eins.«
    »Ja, ja. Natürlich.«
    Er zuckte die Schultern. »Was werden Sie machen?«
    Maria stellte ihren leeren Teller ab und räkelte sich auf dem Stuhl. »Oh … erst mal bis Mittag schlafen, eine ganze Woche lang. Faul im Bett liegen und darüber nachdenken, wie ich meiner Mutter die Neuigkeit beibringen kann, daß wir genug Geld für ihren Scan haben – ohne daß sie sich bevormundet fühlt.«
    »Schlagen Sie sich das aus dem Kopf.«
    Maria sagte schlicht: »Sie stirbt. Es gibt einen Ausweg für sie – eine Möglichkeit, die niemandem schadet. Ohne daß sie der nach ihr kommenden Generation das Essen aus dem Mund stiehlt – oder was immer ihrer Meinung nach das Scannen zu einem Verbrechen macht. Glauben Sie wirklich, daß sie nicht weiterleben will – insgeheim? Sie würde es bestimmt wollen, wenn sie nur diesen Ballast von Schuldgefühlen und Moralvorstellungen abwerfen könnte, den man ihrer Generation aufgezwungen hat!«
    Durham hütete sich, Partei zu ergreifen. »Ich kenne Ihre Mutter nicht … Was soll ich dazu sagen?«
    »Sie ist in den neunziger Jahren geboren. Bereits im Kindergarten hat sie gelernt, daß der einzige Sinn ihres Lebens das Düngen eines Stückchens Regenwald nach ihrem Tod ist.« Maria dachte nach. »Und was das Allerschönste ist: Sie kann es sogar tun! Sie läßt sich scannen, später läßt sie sich durch den Fleischwolf drehen … und die Reste verstreut sie dann über irgendeinem Dschungel.«
    »Sie sind ja krank.«
    »Bald habe ich das Geld. Ich kann es mir leisten.«
    Ihre Terminals piepten gleichzeitig; die ersten vierzehn Sekunden von Durhams Leben im TVC-Universum waren zur Ansicht bereit. Das Sandwich, das Maria eben gegessen hatte, schien sich in ihrem Magen zu einem harten Klumpen zusammenzuballen. Durham startete das Programm.
    Die Kopie saß ein einem einfach gehaltenen Kontrollraum, umgeben von freischwebenden Interfacefenstern. Auf einem der Fenster war eine schematische Abbildung eines kleinen Ausschnitts aus dem TVC-Gitter zu sehen. Die Kopie konnte das Gitter nicht aus derselben Perspektive eines allwissenden Gottes wahrnehmen wie sie, denn ihre Software arbeitete nicht auf einer Ebene außerhalb des TVC-Universums. Es gab keine einfache Methode, mit der die Kopie den Zustand einer einzelnen Zelle des Automaten bestimmen konnte; statt dessen war ein System von Konstruktionsdrähten und Sensorleitungen (alle mit speziellen Prozessoren verbunden) um eine kleine Region im Zentrum des Gitters installiert worden. Durham hatte die Konstruktion die »Kammer« getauft. Was tief in der Kammer vorging, konnte (indirekt) aus den Daten abgeleitet werden, die die Sensoren anlieferten. Das war zwar einfacher als die Rekonstruktion einer

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