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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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zu den Lambertianern aufnehmen. Wir hätten es schon früher tun können, aber es gab Schwierigkeiten. Politische Verzögerungen.« Er hatte ihren Wunsch endgültig vergessen.
    »Kontakt mit den Lambertianern? Was soll das bedeuten?«
    Er deutete auf das bewegungslose Insekt, dessen Unterseite und Genitalien ihnen immer noch zugewandt waren. »Ich habe Ihnen diese Spezies nicht zufällig gezeigt. Dies ist die höchstentwickelte Lebensform des Autoversums. Sie besitzen ein Bewußtsein, ein Ego, sind hochintelligent. Sie haben fast keine Technologie – aber ihr Nervensystem ist zehnmal komplexer als das menschliche, und in einigen Bereichen sind sie noch weit überlegener: Sie können in Schwärmen sogar eine Art von gleichzeitigem Paralleldenken vollbringen. Sie betreiben Chemie, Physik, Astronomie. Sie kennen zweiunddreißig Atome, aber sie haben noch nicht die fundamentalen Automatengesetze entdeckt. Sie entwickeln zur Zeit die Theorie von der Entstehung des Lebens. Das sind denkende Wesen, und sie wollen wissen, woher sie kommen.«
    Maria machte eine Handbewegung vor dem Schirm, und der Kopf des Lambertianers drehte sich in das Blickfeld. Langsam keimte in ihr der Verdacht, daß Durham jedes einzelne Wort glaubte, das er sagte; in diesem Fall hätte er – wenn auch vielleicht nicht persönlich – an der Schaffung dieser Aliens mitgewirkt. Vielleicht war es auch nur eine andere Version von ihm – das Fleisch-und-Blut-Original? –, die sie beide täuschte und manipulierte. Wenn das stimmte, dann stritt sie sich mit dem Falschen. Aber was sollte sie statt dessen unternehmen? Sich hinstellen und den Himmel um Freiheit anflehen?
    Sie war wie betäubt. »Zehnmal komplexer als ein menschliches Gehirn?«
    »Ihre Neuronen nutzen leitende Polymere statt membranverändernder elektrischer Potentiale. Die Zellen selbst sind in ihrer Größe ähnlich den menschlichen, aber jedes Axon und jeder Dendrit übertragen eine Vielzahl von Signalen.« Durham legte den Fokus hinter das Auge des Lambertianers und zeigte es ihr. In hoher Vergrößerung bestand das Neuron eines Sehnervs aus Tausenden von Molekülen, kunstvoll verknüpften Seilen, die die ganze Länge des Zellkörpers durchliefen. An jedem Ende waren die Polymere mit einer Art Vesikel verbunden, und das dünne molekulare Kabel verschwand in der winzigen Tasche einer Zellmembran, abgeschnitten von der Umgebung. »Sie haben fast dreitausend verschiedene Neurotransmitter, alles Proteine, die aus nur drei Untereinheiten zusammengesetzt sind. Jede Untereinheit kann sich auf vierzehn verschiedene Weisen mit den anderen beiden verbinden – ein wenig wie bei menschlichen Antikörpern; der gleiche Trick, um ein großes Spektrum verschiedener Gestalten anzunehmen. Und sie binden genauso selektiv an ihre Rezeptoren wie Antikörper an Antigene; jede Synapse ist eine biochemische Schalttafel mit dreitausend verschiedenen Kanälen, ohne Kreuzungsmöglichkeiten. Die molekulare Basis der Lambertschen Idee.« Ironisch fügte er schließlich hinzu: »Mehr als Sie oder ich besitzen: eine molekulare Basis für unsere Existenz. Wir sind immer noch die alten zusammengestückelten Modelle menschlicher Körper, natürlich erweitert und nach individuellen Gesichtspunkten angepaßt, aber noch immer auf den gleichen Prinzipien beruhend wie die ersten sprechenden Kopien John Vines. Wir haben ein Langzeitprojekt laufen, das den Leuten eines Tages die Möglichkeit einer Implementierung auf atomarem Level geben soll, aber ganz abgesehen von politischen Widerständen haben selbst die Anhänger des Plans dringendere Aufgaben zu erledigen.«
    Durham verlegte den Fokus aus dem Innern der Zelle und drehte die Ansicht so, daß wieder das terminale Stück des Neurons sichtbar wurde. Dann änderte er das Farbschema von atomarer zu molekularer Musterung, um die individuellen Neurotransmitter hervorzuheben. Anschließend ließ er das Bild weiterlaufen.
    Einige der grauen Lipidmembran-Vesikel klafften auf und ergossen einen Strom hellfarbiger Spritzer in die Umgebung. Die Kleckse taumelten am Bildschirm vorbei und lösten sich in komplizierte unregelmäßige Teilchen auf, die eine verwirrende Vielfalt von Formen innehatten. Durham verlegte die Ansicht erneut nach vorn und zielte auf das andere Ende der Synapse. Schließlich konnte Maria farblich unterscheidbare Rezeptoren erkennen, die in die Zellwände des Neurons eingebettet waren: langkettige Moleküle, die sich zu zickzackförmigen Ringen falteten und

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