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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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mehr sie mit ihm stritt, desto schwerer fiel es ihr, physische Angst zu empfinden. Er hatte seine Foltermethode ausgewählt, und er würde dabei bleiben.
    Die Aussicht zeigte einen Wald leuchtender Türme – ohne Zweifel nach allen Gesetzen der Optik korrekt generiert – aber irgendwie immer noch zu glatt, zu glänzend, um echt zu sein … wie die Filme irgendwelcher Expressionisten der zwanziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts. Sie hatte die Zeichnungen gesehen – dies hier war Cyber-City, welche Hardware es auch immer sein mochte, auf der die Stadt lief. Sie blickte nach unten. Sie befanden sich im siebzigsten oder achtzigsten Stockwerk, die Straße lag winzig klein tief unten. Ein Dutzend Meter rechts vom Fenster, auf ihrer Höhe, erstreckte sich ein Überweg zum nächsten Gebäude. Sie konnte Marionettenbürger sehen, die sich in Gruppen von zweien oder dreien unterhielten, während sie irgendwelchen imaginären Zielen zustrebten – all das sah wirklich sehr kostspielig aus. Andererseits konnte objektive Verlangsamung eine Menge subjektiver Rechnerleistung vortäuschen, wenn nichts dagegen sprach. Wieviel Zeit war in der Welt draußen seither vergangen? Jahre? Jahrzehnte?
    War es ihr noch gelungen, Francesca zu retten?
    Durham sagte: »Sie glauben wirklich, daß ich Ihre Scan-Datei gestohlen habe und diese ganze Stadt hier laufen lasse, nur des Vergnügens wegen, Sie zu täuschen?«
    »Das wäre die einfachste Erklärung.«
    »Das ist doch lächerlich, und das wissen Sie selbst. Es tut mir leid, ich weiß, daß das hier alles ziemlich schmerzlich für Sie sein muß. Glauben Sie, ich habe Sie nicht leichtfertig geweckt. Es sind siebentausend Jahre vergangen; ich hatte eine Menge Zeit, nachzudenken.«
    Sie wirbelte herum und starrte ihn an. »Hören Sie endlich auf, mich anzulügen!«
    Reumütig – und ungeduldig – hob er die Hände. »Maria … Sie sind im TVC-Universum. Der Start hat geklappt, die Staubhypothese ist bewiesen. Es ist eine Tatsache, und Sie finden sich besser damit ab. Sie sind jetzt Teil einer Gesellschaft, die schon seit Millenien damit lebt.
    Ich weiß, wir hatten ausgemacht, daß Sie erst dann geweckt würden, wenn Planet Lambert sich zu einem Fehlschlag entwickelt – wenn wir Sie brauchen würden, um an der Biosphären-Aussaat mitzuarbeiten. In Ordnung, ich habe mein Wort gebrochen. Aber … es war das falsche Versprechen! Planet Lambert war kein Fehlschlag, im Gegenteil. Er ist viel erfolgreicher, als wir uns je geträumt haben. Wie konnte ich Sie das alles verschlafen lassen?»
    Ein Interfacefenster erschien neben ihr mitten in der Luft. Es zeigte eine blau-weiße Welt, zur Hälfte im Schatten. »Erwarten Sie nicht, daß Ihnen die Kontinente bekannt vorkommen. Wir haben dem Autoversum eine ganze Menge an Ressourcen zugeteilt. Unsere siebentausend Jahre fanden innerhalb einer Zeit von drei Milliarden Jahren für den Planeten Lambert statt.«
    Maria erwiderte flach: »Sie verschwenden Ihre Zeit. Nichts, was Sie mir zeigen, kann meine Meinung ändern.« Aber sie stand da wie gelähmt und beobachtete den Planeten, während Durham den Beobachtungspunkt näher heranlegte.
    In der Nähe der Ostküste einer großen, gebirgigen Insel brachen sie durch die Wolkendecke. Die Insel gehörte zu einem gewaltigen Archipel, der sich entlang des Äquators zog. Die nackte felsige Oberfläche der Gipfel war ockerfarben; kein Mineral, das sie im ursprünglichen Design eingeplant hatte … aber die Zeit und die Geochemie waren fähig gewesen, etwas Neues entstehen zu lassen. Die Vegetation bedeckte nahezu jeden anderen freien Fleck des Landes bis zu den Stränden mit blaugrünen Farben. Während der Betrachtungspunkt immer näherrückte und die Muster sich in Einzelheiten auflösten, erkannte Maria, daß sich nur Gräser und Sträucher entwickelt hatten. Nichts, das auch nur entfernt einem irdischen Baum ähnelte.
    Durham legte den Bildausschnitt auf eine Wiese, die nicht weit von der Küste entfernt war – nach dem Maßstab am unteren Schirmrand nicht mehr als ein paar hundert Meter. Was sie aus dem Anblick der Landschaft schon geschlossen hatte, wurde unerwartet bestätigt: Es hatte zuerst wie eine Art dichter Staubwolke ausgesehen, vom Wind zusammengeweht – irgendeine Art Samen? –, und zeigte sich jetzt als dichter Schwarm kleiner schwarzer Insekten. Durham hielt das Bild an und vergrößerte eine der winzigen Kreaturen.
    Nach irdischem Maßstab war es kein wirkliches Insekt; es hatte nur vier

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