Cyber City
zu meinen. Maria spürte, wie sie errötete, und versuchte sich vorzustellen, wie sie in einer derartigen Situation reagiert hätte – händeschüttelnd mit … mit wem? Max Lambert? John von Neumann? Alan Turing? Charles Babbage? Ada Lovelace? Sie wußte, daß ihre Leistungen im Vergleich zu diesen Pionieren verschwindend waren – aber in den siebentausend Jahren, die sie geschlafen hatte, war ihre Reputation verschönert worden. Und ihre Arbeit hatte drei Milliarden Jahre Zeit gehabt, Früchte zu tragen.
Die Etage war ein Großraumbüro mit niedrigen Trennwänden, und außer ihnen schien niemand anwesend zu sein. Durham bemerkte, wie sie neugierig in die einzelnen Abteilungen schielte, und sagte geheimnisvoll: »Es gibt zwar noch weitere Mitarbeiter, aber sie kommen und gehen.«
Zemansky schritt voran, und sie folgten ihr in einen kleinen Konferenzraum. Sie wandte sich zu Maria: »Wir könnten zu einer VR-Abbildung des Planeten Lambert wechseln, wenn Sie möchten – aber ich sollte Sie vorher warnen, daß man sehr leicht die Orientierung verlieren kann, wenn man visuell eintaucht, ohne berührt zu werden, wenn man durch fremdartige Vegetation wandert und so weiter. Und wenn wir uns mit der Geschwindigkeit bewegen, die notwendig ist, um mit den Lambertianern mitzuhalten, könnte Ihr Gleichgewichtssinn Schaden nehmen. Natürlich könnten wir verschiedene neurale Modifikationen durchführen, um Probleme dieser Art zu vermeiden …«
Maria war noch nicht bereit, an ihrem Bewußtsein herumzudoktern – geschweige denn, auf der Oberfläche der fremden Welt herumzuspazieren. Sie erwiderte: »Einfache Sichtschirme sind wahrscheinlich besser. Ich glaube, ich würde damit leichter zurechtkommen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht?« Zemansky wirkte erleichtert.
Repetto stand am Kopfende des Tisches und wandte sich zu den drei anderen Anwesenden, obwohl Maria wußte, daß das alles nur ihretwegen stattfand.
»In der letzten Zeit ist auf Lambert so viel geschehen, daß wir ihn im Vergleich zur Standardzeit ein beträchtliches Stück verlangsamen mußten, um mit der Entwicklung Schritt zu halten.« Eine Mercatorprojektion der Planetenoberfläche erschien auf dem Schirm in seinem Rücken. »In allerjüngster Zeit haben viele Arbeitsgruppen von Chemikern begonnen, nach einem einfacheren, vereinheitlichenden System von Gesetzen zu suchen, die der geltenden Atomtheorie zugrunde liegen.« Lichtpunkte erschienen über die Karte verstreut. »Vor dreihundert Jahren wurde das Standardmodell – zweiunddreißig Atome mit einer gleichmäßigen Verteilung von Massen, Valenzen und gegenseitigen Anziehungskräften – allgemein anerkannt. Das lambertianische Äquivalent unseres Mendelejewschen Periodensystems.« Er warf Maria ein blitzendes Lächeln zu, als wäre sie ein Zeitgenosse Mendelejews gewesen – oder vielleicht aus Stolz auf seine tiefe Kenntnis der Geschichte einer Wissenschaft, die schon lange nicht mehr gültig war. »Damals begann man, Atome als elementare Bausteine zu begreifen: strukturlos, unsichtbar und ohne Not zu weiterer Erklärung. Doch in den letzten zwanzig Jahren brach diese Sicht der Dinge allmählich zusammen.«
Maria war bereits verwirrt. Aus den hastigen Studien in den letzten Tagen hatte sie erfahren, daß die Lambertianer nur eine etablierte Theorie verfeinern wollten, als sie über ein neues Phänomen gestolpert waren, das diese Theorie nicht erklären konnte. Repetto mußte ihren Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn er machte eine erwartungsvolle Pause.
Sie sagte: »Die Atome des Autoversums sind unsichtbar. Es gibt keine Bestandteile, die man trennen könnte, und es gibt keine kleineren Elementarteilchen. Sie können zwei Atome nehmen und sie so heftig kollidieren lassen, wie sie wollen: Alles, was sie tun, ist zurückprallen. Und die Lambertianer haben nicht die Technologie, sie – mit welcher Geschwindigkeit auch immer – zusammenprallen zu lassen. Deshalb … ganz sicher gibt es in ihrer Welt nichts, was diese Theorie nicht erklären könnte.«
»Nichts in ihrer unmittelbaren Umgebung, sicher. Doch das Problem ist kosmologischer Natur. Sie haben die Vorstellungen von der Geschichte ihres Sternensystems immer weiter verfeinert, und sie suchen jetzt nach einer Erklärung für die Zusammensetzung der Urwolke.«
»Sie haben doch ihre zweiunddreißig Atome und ihre Eigenschaften als gegeben hingenommen – und sie können ihre willkürliche Verteilung in der Urwolke nicht ebenso
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