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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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seine Umgebung – mühelos – aus Augenblicken zusammengesetzt, die in ihrer Kürze und Unordnung wie fein zermahlener Staub in der realen Zeit waren, nichts weiter als Weißes Rauschen. Natürlich war in diesem Experiment nichts dem Zufall überlassen, es stand von vornherein fest, daß seine Gedanken und Wahrnehmungen in diesem Staub enthalten waren, in den anscheinend zufälligen Berechnungen kodiert. Aber bei einer genügend großen Anhäufung von Zufallszahlen konnte es möglich sein, daß sie zufällige verborgene Muster enthielten, die nicht weniger komplex und kohärent waren wie jene, die seiner Existenz zugrunde lagen.
    Und könnten solche Muster – gleich, wie wirr und zufällig sie in der realen Zeit sein mochten – sich nicht auch ihrer selbst bewußt sein? So, wie er es gewesen war? Konnten sie sich vielleicht ihre eigene, sinnvolle Welt zusammendenken, wie er es getan hatte?
    Paul ging zu seiner Wohnung zurück. Er kämpfte gegen ein Gefühl von Benommenheit, Unwirklichkeit … Er hatte doch versucht, nicht ständig über sich nachzudenken. Nun war er begieriger denn je zu erfahren, wer oder was er war.
    Wollte er noch immer AUSSTEIGEN? Nein. Nein! Wie konnte er erklären, daß er gerne erwachte, sich selbst (den Dschinn!?) zu vergessen bereit war, bewußt sein Leben »zurückfordern« wollte – weil er soeben die Antworten zu ahnen begann auf jene Fragen, die sein Original niemals zu fragen gewagt hatte?
     

10
    (Vergib nicht den Mangel)
    November 2050
     
    Bereits eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit war Maria im Café – um festzustellen, daß auch Paul Durham früher gekommen war. Er saß an einem der Tische gleich beim Eingang. Sie war überrascht und erleichtert, denn das Warten blieb ihr erspart, und sie fand keine Zeit, nervös zu werden. Als sie eingetreten war, hatte Durham sie gleich erkannt; er stand auf, sie gaben sich die Hände, tauschten Höflichkeiten aus und bestellten über die Sensortasten im Tisch Kaffee. Durhams Anblick bestätigte den Eindruck, den Maria beim Telefonieren von ihm gewonnen hatte: ein Mann mittleren Alters, ruhig, konservativ gekleidet – alles andere als der typische Autoversum-Süchtige.
    Maria sagte: »Ich dachte immer, ich wäre der einzige Abonnent der Autoverse Review in Sydney. Ich hatte ein paar Mal Kontakt zu Ian Summers in Hobart, aber daß jemand so nahe wohnt, hätte ich nicht gedacht.«
    Fast entschuldigend erklärte Durham: »Es ist nicht verwunderlich, daß Sie noch nie von mir gehört haben. Ich habe die Review immer nur gelesen, aber nie selbst etwas beigetragen oder an einer Konferenz teilgenommen. Ich arbeite nicht am Autoversum, dafür fehlt mir die Zeit … um ehrlich zu sein, auch die nötigen Fertigkeiten.«
    Maria hörte ihm zu und versuchte, nicht allzu überrascht zu wirken. Das klang gerade so, als erklärte jemand, daß er zwar das Schachspiel studiert, aber noch nie selbst gespielt habe.
    »Ich habe die Entwicklungen auf diesem Gebiet sehr genau verfolgt und kann beurteilen, was Sie mit A. lamberti geleistet haben. Vielleicht sogar besser als einige Ihrer Kollegen aus der Praxis. Ich denke, daß ich das Ganze in einem größeren Zusammenhang sehe.«
    »Sie meinen … zellulare Automaten im allgemeinen?«
    »Zellularautomaten, künstliches Leben.«
    »Sind das Ihre Hauptinteressen?«
    »Ja.«
    Aber ohne selbst am Autoversum mitzuarbeiten? Maria versuchte, sich diesen Mann als Förderer der Künstliches-Leben-Forschung vorzustellen, der großzügig begabten jungen Talenten half. »Lorenzo, der Prächtige«, der die Botticellis und Michelangelos der Zellularautomaten-Theorie finanzierte.
    Es paßte nicht zu ihm. Selbst der Gedanke war lächerlich – er sah nicht aus wie ein Mann, der so viel Geld hatte.
    Der Kaffee kam. Durham wollte sie einladen, doch Maria protestierte. Er nahm unwidersprochen hin, daß sie ihren Kaffee selbst zahlte. Jetzt fühlte sie sich wohler. Als der Serviceroboter davongerollt war, kam sie ohne Umschweife zur Sache. »Sie sagten, daß Sie Forschungen finanzieren möchten, die auf meinen Arbeiten an A. lamberti aufbauen. Haben Sie eine bestimmte Richtung im Auge?«
    »Ja. Eine sehr spezifische Sache.« Durham zögerte. »Ich weiß nicht, wie ich es am besten sagen soll … Ich möchte, daß Sie mir helfen, etwas … zu beweisen. Ich möchte, daß Sie für mich Lebenskeime für eine Biosphäre entwickeln.«
    Maria hatte es die Sprache verschlagen. Sie war nicht einmal sicher, ihn richtig verstanden

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