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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Mathematik; 2018: erstes Studienjahr in Naturwissenschaften an der Universität Sydney, alle Zwischenprüfungen bestanden, trotzdem Abbruch des Studiums. 2019 bis 2023: Reisen durch Thailand, Burma, Indien, Nepal. 2024: Rückkehr nach Australien, Diagnose einer organischen Psychose, möglicherweise erblich bedingt … Zustand medikamentös teilweise beherrschbar. Zahlreiche Gelegenheitsjobs bis Mai 2029. Verschlechterung des Zustands … Arbeitsunfähig seit Januar 2031. Einlieferung in Psychiatrische Klinik (Blacktown Hospital) am 4. September 2035.
    Korrektive Nanochirurgie an Hippocampus und Präfrontalem Cortex am 11. November 2045 … laut ärztlichem Bericht ein voller Erfolg.
    Eine Lücke von zehn Jahren. Thomas ließ sich den gesamten Text darstellen, um Details über die Jahre zwischen 2035 und 2045 zu erfahren, aber es gab nicht viel mehr als eine Liste verordneter Medikamente und der Hirntransplantate und Gen-Vektoren, die man in Durhams Schädel eingeschleust hatte, ohne sichtliche Besserung. Es gab immer wieder Hinweise, daß die Therapien zuerst an Teilmodellen seines Gehirns erfolglos erprobt worden waren. Thomas fragte sich, ob man Durham darüber informiert hatte – und was der Mann wohl zu erleben geglaubt hatte, während die Medikamente in fünfzehn verschiedenen Hirnbereichen – die zusammengenommen sein ganzes Hirn repräsentierten – getestet wurden …
    2046 bis 2048: Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Macquarie; 2049: Abschluß cum laude; sofortige Anstellung als Trainee bei Gryphon in der Verkaufsabteilung. Seit 17. Januar 2050 in der Abteilung für Künstliche Intelligenz.
    Das hieß auch, daß er – in welcher Gestalt auch immer – Kontakt mit Kopien aufnahm, um ihnen verschiedene Arten von Sicherheit zu verkaufen. Schutz vor der Zerstörung ihrer finanziellen Basis in der Welt draußen. Zu seiner Arbeit gehörte, daß er lange Stunden als Besucher verbrachte – einschließlich ausgedehnter Plaudereien über seine psychiatrische Vorgeschichte und einschließlich der Versuche, seine Klienten zu metaphysischen Gedanken-Experimenten zu verleiten. Oder auch seine Zeit an Kopien zu verschwenden, die so gut abgesichert waren, daß sie nicht im Traum die Dienste von Gryphon und ähnlichen Unternehmen benötigten.
    Thomas lehnte sich zurück. Es war zu einfach: Durham hatte die Ärzte genarrt, hatte sie glauben gemacht, daß er geheilt wäre – und sich mit der typischen Raffinesse und Hartnäckigkeit des Paranoikers eine Anstellung verschafft, die ihn mit Kopien zusammenbrachte. Mit ihnen konnte er endlich die große Wahrheit teilen, die ihm offenbart worden war … und ganz nebenbei Geld daran verdienen.
    Wenn Thomas sich an Gryphon wenden und ihnen erzählen würde, was ihr verrückter Verkäufer trieb, dann wäre er seinen Job los und landete wieder in der Klinik. Vielleicht würde diesmal ein wenig Nanochirurgie zum Erfolg führen. Durham war ein harmloser Irrer … vielleicht war der größte Gefallen, dem man ihm tun konnte, dafür zu sorgen, daß er behandelt wurde.
    Ein selbstsicherer, optimistischer Mensch würde einen so wichtigen Anruf nicht lange hinausschieben. Thomas schielte nach seinem Glas und beschloß, noch ein wenig zu warten, bevor er die anderen Alternativen darin ertränkte.
    Durham hatte gesagt: »Mir ist bewußt, daß alles, was ich zu wissen glaube, meiner Krankheit zugeschrieben werden kann – und ich weiß, daß ich Sie mit keinem Wort davon überzeugen kann, nicht verrückt zu sein. Trotzdem: Warum sollte die Frage, die ich Ihnen stelle, deshalb weniger bedeutungsvoll sein?
    Die meisten Menschen leben und sterben, ohne sich je gefragt zu haben, wer oder was sie eigentlich sind – sie glauben sogar, hochmütig und naserümpfend über die Frage hinweggehen zu können. Aber Sie sind nicht aus Fleisch und Blut – Sie können sich diesen Luxus nicht leisten.«
    Thomas stand auf und ging hinüber zu dem Spiegel über dem Kamin. Auf den ersten Blick hatte er sich gegenüber seinem letzten Scan nicht verändert: dichtes, widerspenstiges weißes Haar, dieselbe faltige, lose, pergamentene Haut eines Fünfundachtzigjährigen. Aber das Modell auf der Basis des Scans war sorgfältig »verjüngt« worden, seine innerliche Haltung war die eines junges Mannes – alles, was sechzig lange Jahre seinen Gelenken, Muskeln und Blutgefäßen angetan hatten, war wie mit einem großen Besen weggefegt worden. Vielleicht, dachte er, ist es nur eine Frage der Zeit, bis

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