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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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einen Beweis kann es nicht geben. Natürliche Auslese bleibt natürliche Auslese – und Sie haben gezeigt, daß sie auch im Autoversum funktioniert; vielleicht sollte man sich damit zufriedengeben. Aber meinen Sie nicht auch, daß ein sorgfältiges Gedankenexperiment mit einem ganzen Planeten ein wenig … herausfordernder ist als ein Experiment mit Petrischalen? Vergessen Sie nicht, daß man die Phantasie der Leute anregen muß; vielleicht können Sie die Folgen Ihrer Arbeit schon absehen – aber sicher gibt es andere, denen man sie vorbuchstabieren muß.«
    Dagegen ließ sich nicht viel sagen … aber wer um alles in der Welt vergab Forschungsgelder auf der Basis von herausfordernden und phantasieanregenden Ideen? »Wollen Sie mir nicht verraten, für welche Universität …«
    Durham unterbrach sie. »Ich bin kein Akademiker. Es ist eines meiner Hobbys – nicht anders als bei Ihnen. Ich bin von Beruf Versicherungsvertreter.«
    »Aber wie kommen Sie an Forschungsgelder, ohne …?«
    »Ich zahle aus meiner eigenen Tasche.« Er lachte. »Keine Sorge, ich kann es mir leisten. Wenn Sie mitmachen, wird es nicht zu Ihrem Schaden sein – das verspreche ich Ihnen. Ich weiß, es ist ungewöhnlich, daß ein Laie solche Aufträge vergibt … aber wie ich schon sagte, ich habe noch nie am Autoversum gearbeitet. Es würde mich mindestens fünf Jahre kosten, bis ich das könnte, worum ich Sie gebeten habe. Sie dürfen die Ergebnisse nach Belieben publizieren – selbstverständlich unter Ihrem Namen; ich bitte Sie nur um eine Fußnote, in der Sie sich für die Finanzierung erkenntlich zeigen.«
    Maria wußte nicht, was sie sagen sollte. ›Lorenzo, der Versicherungsvertreter‹? Ein Privatmann – nicht einmal ein Autoversum-Süchtiger! – bot ihr ein Projekt an, das nichts Geringeres als die abstrakteste Programmierarbeit war, die man sich denken konnte: nicht die Simulation einer nichtexistierenden Welt, sondern quasi die »Simulation« einer Simulation, die niemals ausgeführt werden konnte. Sie konnte wohl kaum verächtlich auf jemanden herabblicken, der sein schwer verdientes Geld für belanglose Autoversum-Forschung ausgab … schließlich war sie dieser Versuchung selbst oft genug erlegen. Immerhin konnte sie ihre praktische, hautnahe Erfahrung als Entschuldigung anführen. Trotzdem, so groß das intellektuelle Vergnügen auch gewesen sein mochte – der eigentliche Lustgewinn, die wahre Sucht begann erst dort, wo man die Handschuhe anzog und körperlich in den imaginären »Raum« eintauchte.
    Durham reichte ihr einen ROM-Chip. »Sie finden hier einiges Material zum Thema – einschließlich meiner eigenen Ideen. Fühlen Sie sich aber nicht verpflichtet, vorgezeichnete Wege zu gehen. Ich möchte, daß Sie eine Lösung realisieren, die Ihrer Meinung nach am besten, am ehesten funktionieren wird – und nicht eine, die sich an meinen Vorlieben oder Vorurteilen orientiert. Außerdem werden Sie einen Vertrag finden, natürlich. Konsultieren Sie Ihr juristisches Expertensystem. Sollten Sie mit irgendeinem Passus nicht ganz glücklich sein: Melden Sie sich, ich bin durchaus flexibel.«
    »Vielen Dank.«
    Durham stand auf. »Tut mir leid, daß ich mich so eilig verabschieden muß, aber ich habe noch einen anderen Termin. Bitte – lesen Sie, denken Sie über alles nach, und rufen Sie mich an, wenn Sie sich entschieden haben.«
    Nachdem er gegangen war, saß Maria an ihrem Tisch, starrte auf das kleine schwarze Rechteck aus Epoxidharz in ihrer Hand und versuchte sich klarzuwerden, was das alles zu bedeuten hatte.
    Babbage hatte seine mechanische Rechenmaschine entworfen, obwohl er nicht hoffen konnte, daß sie zu seinen Lebzeiten jemals gebaut werden würde. Begeisterte Raumfahrtanhänger hatten interstellare Schiffe geplant – bis zur letzten Schraube, und das bereits in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Andere hatten sich fremde Planeten ausgedacht und in allen Einzelheiten untersucht, mit welchen Methoden man bewohnbare Welten daraus machen könnte. Warum? Als Hilfsmittel bei Gedankenexperimenten. Als Beweis, daß es vielleicht möglich war.
    Und wenn Durham, der nie auch nur mit dem kleinen Finger ins Autoversum vorgestoßen war, eine Vorahnung von seinen Möglichkeiten hatte, eine große Vision – dann vielleicht deshalb, weil er nicht bis über beide Ohren darinsteckte, weil er im Gegensatz zu ihr nicht nur die Probleme sah, den alltäglichen Kleinkram, mit dem man sich herumschlagen mußte.
    Einmal

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