Cyberabad: Roman (German Edition)
helfen.«
»Es wird den Monsun für die nächsten fünf Jahre stabilisieren, und zwar in ganz Indien«, beteuert Minister Naipaul.
»Herr Minister, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mein Volk hat jetzt Durst«, spricht V. R. Srinavas genau ins Auge der Nachrichtenkamera, die wie ein unverschämter Straßenbengel über die erste Sitzreihe nach hinten lugt. Shaheen Badoor Khan verschränkt die Hände in der zufriedenen Gewissheit, dass dieser Satz in den Schlagzeilen sämtlicher Abendzeitungen von Kerala bis Kaschmir auftauchen wird. Srinavas ist ein fast genauso großer Dummkopf wie Naipaul, aber er ist ein zuverlässiger Lieferant von kurzen, knappen Sätzen, die ein Problem auf den Punkt bringen.
Der neue, schicke, hochmoderne Senkrechtstarter dreht erneut ab, schwenkt die Triebwerke auf Horizontalflug und macht sich auf den Rückweg nach Bengalen.
Ebenso neu, schick und hochmodern ist der neue Flughafen von Dhaka, und das Gleiche gilt für die vor Kurzem installierte Flugverkehrssteuerung. Das ist der Grund, warum ein diplomatischer Flug von höchster Priorität eine halbe Stunde lang aufgehalten und dann zu einer Standbahn auf der anderen Seite des Geländes umgeleitet wird, weit entfernt vom Airbus der BharatAir. Ein Interface-Problem. Der Computer der Flughafenkontrolle ist eine Kaih ersten Grades mit dem Intellekt, den Instinkten, der Selbständigkeit und der Moral eines Kaninchens. Das sei erheblich mehr, wie jemand aus dem Pressekorps der Bharat Times bemerkte, als man von einem durchschnittlichen Mitarbeiter der Flugsicherung in Dhaka erwarten könne. Shaheen Badoor Khan unterdrückt ein Lächeln, aber niemand kann abstreiten, dass die Vereinten Staaten von Ost- und Westbengalen technisch versiert, kühn, zukunftsorientiert und hochentwickelt sind und einen guten Platz in der globalen Oberliga erreicht haben – all das, wonach Bharat in den Straßen und Höfen von Ranapur strebt und was der Dreck, der Niedergang und die Armut in Kashi wieder zunichtemacht.
Schließlich treffen die Limousinen ein. Shaheen Badoor Khan folgt den Politikern hinunter auf das Vorfeld. Hitze steigt vom Beton auf. Die Luftfeuchtigkeit vertreibt jede Erinnerung an Eis, Meer und Kälte. Shaheen Badoor Khan wünscht ihnen viel Glück mit ihrer Insel aus Eis und stellt sich vor, wie die eifrigen Bangla-Ingenieure in ihren arktischen Anoraks mit pelzgesäumten Kapuzen auf dem Amery-Brocken herumkraxeln.
Auf dem Vordersitz von Minister Srinavas Wagen klemmt sich Shaheen Badoor Khan den Hoek hinters Ohr. Rollbahnen, Flugzeuge, Flugsteige und Gepäcktransporter vermischen sich mit dem Interface seines Office-Systems. Die Kaih hat seine Mails vorsortiert, aber es sind immer noch über fünfzig Nachrichten, die die Aufmerksamkeit von Sajida Ranas Parlamentarischem Privatsekretär erfordern. Mit einem Fingerschnippen ja t er den Bericht über das Kampfbereitschaftsproblem von Bharat, nein t die Presseerklärung über weitere Wasserrationierungen, später t die Anfrage von N. K. Jivanjee wegen einer Videokonferenz. Seine Hände bewegen sich wie die Mudras, die anmutige Kathak-Tänzer ausführen. Ein gekrümmter Finger lässt im Nichts ein Notepad entstehen. Halten Sie mich auf dem Laufenden über die Entwicklungen betr. Sarkhand Roundabout , schreibt er in virtuellem Hindi an die Wand eines Airbus von Air Bengal. Bei dieser Sache habe ich ein seltsames Gefühl.
Shaheen Badoor Khan ist in Kashi geboren; er lebt dort und vermutet, dass er auch dort sterben wird, aber die Leidenschaft und der Zorn, den die verwahrlosten Götter des Hinduismus aufbieten, sind ihm stets fremd geblieben. Er bewundert ihre Disziplin und Askese, aber die Götter scheinen ihm nur wenig Geborgenheit zu versprechen. Jeden Tag auf seinem Weg zur Bharat Sabha saust sein Dienstwagen an der Kreuzung der Lady Castlereagh Road an einem kleinen Unterschlupf aus Plastik vorbei, wo seit fünfzehn Jahren ein Sadhu den linken Arm erhoben hält. Shaheen Badoor Khan vermutet, dass der Mann diesen Zweig aus Knochen, Sehnen und verkümmerten Muskeln gar nicht mehr herunternehmen könnte, selbst wenn sein Gott es von ihm verlangen würde. Shaheen Badoor Khan ist kein ausgesprochen religiöser Mann, aber diese bunten, zeichentrickfilmartigen Statuen, die sich mit Armen und Symbolen und Fahrzeug und Attributen raufen, als wäre der Bildhauer gezwungen worden, jedes letzte theologische Detail einzubeziehen, beleidigen seinen Sinn für Ästhetik. Seine Schule des Islam ist
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