Cyberabad: Roman (German Edition)
sackt am stabilen Türrahmen zusammen. Das einzige Mal, dass er ein paar aufgeschnappte Sätze zwischen zwei geschäftigen Leben zu schätzen gewusst hätte. Ein Wort. Eine Berührung. Denn er ist müde. Ermüdet von der Unbarmherzigkeit. Ermüdet von der erschreckenden Wahrheit, dass er die Ereignisse, die er in Bewegung gesetzt hat, nicht mehr aufhalten könnte. Selbst wenn er sich auf den Boden setzen und nichts tun würde wie der Sadhu an einer Straßenkreuzung, würden sie sich hinter ihm auftürmen, sich gegenseitig verstärken und zu einer Flutwelle anschwellen. Er muss ständig rennen, um ihr ein paar Schritte voraus zu sein. Er ist ermüdet von der Maske, dem Gesicht, der Lüge. Sag es ihr. Sie wird wissen, was zu tun ist.
»Sie ist immer unterwegs, ja.«
»Mr. Khan?«
»Schon gut.«
Die Tür schließt sich vor dem Gesichtsausschnitt. Zum ersten Mal, seit er sich erinnern kann, fühlt sich Shaheen Badoor Khan in seinem eigenen Haus verloren. Er erkennt die Türen, die Wände, die Gänge nicht wieder. Jetzt ist er in einem hellen Raum und blickt auf den Frauengarten hinaus. Ein weißer Raum, in dem die Moskitonetze zu großen weichen Knoten verschnürt sind, ein Raum mit schrägen Lichtbalken und Staub und einem Geruch, der ihn zu sich selbst zurückfinden lässt. Gerüche sind der Schlüssel zu Erinnerungen. Er kennt diesen Raum, er hat diesen Raum geliebt. Es ist das alte Kinderzimmer, sein Jungenzimmer. Sein Zimmer, hoch über dem Wasser. Hier wachte er jeden Morgen auf, wenn die Brahmanen den großen Fluss grüßten. Das Zimmer ist sauber und blass und leer. Er muss angeordnet haben, dass es ausgeräumt wird, nachdem die Jungen auf die Universität gegangen sind, aber er kann sich nicht daran erinnern. Ayal Gul starb vor zehn Jahren, aber in den Holzbrettern, den Vorhängen kann er immer noch das Parfüm ihrer Brust wahrnehmen, die Würze ihrer Kleidung, obwohl Shaheen Badoor Khan erschrocken bewusst wird, dass es Jahrzehnte her ist, seit er diesen Raum das letzte Mal betreten hat. Er blickt blinzelnd ins Licht.
Gott ist das Licht des Himmels und der Erde ... Licht über Licht. Gott leitet zu seinem Lichte, wen er will, und Gott prägt die Gleichnisse der Menschen, denn Gott ist sich jedes Dings bewusst. Die Sure steigt kräuselnd wie Rauch in Shaheen Badoor Khans Erinnerung auf.
Nur weil er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit das Gefühl hat, von niemandem beobachtet zu werden, kann Shaheen Badoor Khan tun, was er jetzt tut. Er streckt die Arme seitlich aus und fängt an, sich zu drehen, zuerst langsam, während die Füße nach Gleichgewicht suchen. Der Sufi-Tanz, in dem sich die Derwische drehen und das innere Gottesbewusstsein erlangen. Der Dhikr, der heilige Name Gottes, bildet sich auf seiner Zunge. Hell blitzt eine Kindheitserinnerung auf, wie sein Großvater sich in perfekter Haltung auf dem geometrisch gekachelten Boden des Iwan dreht, während die Qawwals spielen. Ein Mevlevi ist aus Ankara gekommen, um indischen Männern die Sema beizubringen, den großen Tanz Gottes.
Rotiere mich aus dieser Welt, Gott-in-mir.
Die weichen Matten verschieben sich unter Shaheen Badoor Khans Füßen. Er ist hochgradig konzentriert, er denkt nur an die Bewegung der Füße, die Drehung der Hände, hinunter, um zu segnen, hinauf, um zu empfangen. Er wirbelt zurück, immer tiefer in seine Erinnerungen hinein.
Dieser verrückte Sommer in New England, als sich ein Hochdruckgebiet über dem puritanischen Cambridge festgesetzt hatte und die Temperaturen stiegen und alle ihre Türen und Fenster öffneten und auf die Straßen und in die Parks gingen oder einfach nur in ihrem Hauseingang oder auf Balkonen saßen, als Shaheen Badoor Khan im zweiten Studienjahr vergaß, wie es war, kalt und zurückhaltend zu sein. Er ging mit Freunden aus, kehrte sehr spät von einem Musikfestival in Boston zurück. Dann kam es aus der sanften, samtigen, duftenden Nacht, und Shaheen Badoor Khan war wie paralysiert, fixiert wie ein Polarstern, wie es ein Vierteljahrhundert später auf dem Flughafen von Dhaka erneut geschehen sollte, als er die Vision einer überirdischen, fremdartigen, unerreichbaren Schönheit hatte. Das Neut runzelte die Stirn über den Ansturm lärmender Studenten, als ys versuchte, ihm auszuweichen. Es war das Erste, das Shaheen Badoor Khan jemals gesehen hatte. Er hatte darüber gelesen, Bilder gesehen, war fasziniert gewesen, gequält gewesen, von diesem Fleisch gewordenen Kindheitstraum gepeinigt worden. Diesmal
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