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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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füllt. Thal springt durch die sich schließende Tür, schießt an der aufgeregten Betreuerin vorbei. Der Lift ruckt und fährt nach unten. Thal hört Stimmen. Ys blickt auf und sieht die zwei Banditen, die sich über das Geländer beugen. Sie haben ihre Waffen gehoben. Aus der Mitte der dicht gedrängten schwarzäugigen Grundschülerinnen in ihren hübschen gepflegten Uniformen winkt Thal zu ihnen hinauf.
    Die Sonne schüttet kochend heißes Licht in die Straßenschluchten von Varanasi, während Thal sich durch den Stoßverkehr bewegt. Ys schlüpft zwischen den Schulkindern und Beamten in weißen Hemden auf Fahrrädern hindurch, zwischen den Straßenverkäufern und dem Ladenpersonal, den Leuten, die in den Einfahrten schlafen, und den Studenten mit Markenkleidung und japanischen Schuhen, den Rollwagen, die hoch mit Pappkisten voller Unterwäsche von Lux Macroman beladen sind, und den feinen Damen unter den Baldachinen der Fahrradrikschas. Jederzeit könnte irgendjemand aus der Menge ys von der Titelseite der Zeitung wiedererkennen, die er sich unter den Arm geklemmt hat, von den Frühstücksnachrichten auf dem Palmer, von den Schlagzeilenplakaten an den Zeitungsläden oder den Werbebildschirmen an jeder Kreuzung und an jedem Chowk. Ein Ruf, eine Hand, die nach einem Jackenärmel greift, ein »He! Sie! Halt!«, und die wimmelnde Bewegung von Individuen würde zu einem Mob kristallisieren, der nur noch ein Bewusstsein, einen Willen, eine Absicht hat.
    Thal tänzelt die mit Müll übersäte Treppe hinunter zum VART. Selbst wenn die Killer ys durch den morgendlichen Verkehr folgen konnten, haben sie keine Chance, ys im Metrolabyrinth von Varanasi wiederzufinden. Thal geht an der Schlange vor dem Irisscanner vorbei und reiht sich bei den Frauen ein, die dem Varanasi Area Rapid Transit nicht erlauben, ihnen so tief in die Augen zu blicken. Ys wirft fünf Rupien in den Trichter und zwängt sich durch die Barriere, bevor die Ladys von New Varanasi protestieren können.
    Thal läuft über den Bahnsteig zum Frauenbereich. Ys überblickt die Menge und sucht nach Anzeichen für die Killer, nach einer Bugwelle, die sie im Gedränge der Menschen auslösen. Es ist so leicht, hier zu sterben. Eine Hand im Rücken, während der Zug aus dem Tunnel geschossen kommt. Und nun, als die Asche des künstlichen Adrenalins aus sys Blutkreislauf gespült wird, folgt der biochemische Abschwung. Thal zittert, fühlt sich allein und klein und sehr, sehr paranoid. Ein Schwall übler, heißer, elektrischer Luft, und der Zug rauscht in den Bahnhof. Thal fährt zwei Stationen im Nur-für-Frauen-Abteil mit und steigt dann aus. Ys zählt einen Zug, zwei Züge ab und steigt wieder in den weiblichen Waggon. Ys hat keine Ahnung, ob ys das Richtige tut, ob es überhaupt etwas Richtiges gibt, ob es irgendwelche Selbsthilfebücher gibt, wie man im städtischen Metronetz Verfolger abschüttelt.
    Der Roboterzug jagt durch die Unterwelt von Varanasi, holpert über die Gleisverbindungen und Weichen. Thal fühlt sich nackt zwischen all den Frauenkörpern. Ys kann ihre Gedanken hören: Du gehörst nicht hierher; wir wissen nicht, was du warst, aber jetzt bist du keine oder keiner von uns mehr, Hijra. Dann erstarrt sys Herz. Eingeklemmt zwischen einer Haltestange und dem Feuerlöscher hat ein Büromädchen Platz gefunden, um die Bharat Times zu lesen. Ihre Aufmerksamkeit gilt der Rückseite, den Cricket-Nachrichten. Auf der Titelseite kreischt eine Schlagzeile in achtzig Punkt und ein halbseitiges Foto. Ys sieht sich selbst, sys blasses Gesicht im Blitzlicht, die Augen groß wie Monde.
    Der Zug ruckelt auf den Gleisen. Die Passagiere schwanken wie Getreide im Wind. Thal lässt den Haltegurt los und arbeitet sich quer durch den Waggon. Dann baut ys sich vor der schreienden Titelseite auf. Das Zeitungsmädchen faltet die obere Hälfte ihrer Morgenlektüre herunter, um Thal anzustarren und sich dann wieder den Klatschnachrichten über V. J. Mazumdar, den Held des Testspiels, und seiner bevorstehenden VIP -Hochzeit zu widmen. Die Unterzeile ganz unten auf der Seite lautet: TOTE BEI FEUERÜBERFALL AUF PERVERSENCLUB.
    Varanasi City Station kündigt die Kaih über dem Lärm der Radios und Gespräche an. Thal stolpert auf den Bahnsteig hinaus und läuft dem sich langsam ausbreitenden Fleck der Pendler voraus. Ys hat genug Zeit, über diese Schlagzeile zu meditieren, wenn der Shatabdi beschleunigt hat und Varanasi hundert Kilometer hinter ys liegt.
    Der Aufzug wirft Thal

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