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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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habe.« Vishram greift nach den Bordwänden, als das Boot schaukelt.
    »Wirklich? Aber das sollten Sie tun, Mr. Ray. Ich denke jeden Tag ein wenig über den Tod nach. Es hilft sehr, sich zu konzentrieren. Es ist äußerst beruhigend, dass wir das Spezielle verlassen und uns wieder mit dem Universellen vereinen werden. Ich glaube, das ist Gangas Moskha. Wir kehren wie ein Regentropfen in den Fluss der Geschichte zurück, und unser Leben wird erzählt und in den Strom der Zeit gewoben. Sie haben doch im Westen gelebt, nicht wahr? Stimmt es, dass die Menschen dort im Geheimen ihre Toten verbrennen, verborgen vor allen anderen, als wäre es etwas, dessen sie sich schämen?«
    Vishram erinnert sich an die Beerdigung in einem schmutzigen Sandsteinviertel von Glasgow. Er hatte die Frau nicht besonders gut gekannt – sie war die Mitbewohnerin eines Mädchens gewesen, mit dem er Sex hatte, weil sie sich einen Namen als vielversprechende Regisseurin der Theatergruppe gemacht hatte. Aber er erinnert sich gut an den Schock, als er erfuhr, dass sie beim Bergsteigen in Glencoe zu Tode gekommen war. Und er erinnert sich an die gruselige Atmosphäre im Krematorium, die gedämpfte Trauer, die Grabrede eines Fremden, der die Namen ihrer Freunde durcheinanderbrachte, den Bach vom Band, während der versiegelte Sarg auf dem Podest ruckelte und dann langsam in Richtung Feuerofen versank.
    »Es stimmt«, sagt er zu Chakraboty. »Sie wollen es nicht sehen, weil es ihnen Angst macht. Für sie ist es das Ende von allem.«
    Auf den aschebestreuten Stufen dreht sich das Rad aus Tod und Moksha weiter. Direkt am Ufer ist ein Scheiterhaufen in sich zusammengefallen, der Kopf und die Schulter des Toten hängen heraus und wirken seltsam unberührt von den Flammen. Das ist ein brennender Mensch, denkt Vishram. Der Wind wirbelt Rauch und Asche über das Verbrennungsghat. Vishram Ray beobachtet, wie der Tote auf seinem Scheiterhaufen zusammensackt und in Funken und Kohle kollabiert, und er denkt, dass Chakraboty recht hat. Es ist wesentlich besser, hier zu enden, wo der Tod mitten im Leben ist, um das Spezielle zu verlassen und wieder mit dem Universellen vereint zu werden.
    »Mr. Chakraboty, ich hätte gern eine sehr große Summe Geld von Ihnen«, sagt Vishram Ray.
    »Wie viel brauchen Sie?«
    »Genug, um Ramesh seinen Anteil an der Firma abzukaufen.«
    »Dazu wäre eine Summe im Bereich von dreihundert Milliarden Rupien nötig. Ich kann Sie Ihnen in US-Dollar geben, wenn Sie sie brauchen.«
    »Ich muss nur wissen, dass für mich so viel Geld verfügbar wäre.«
    Mr. Chakraboty zögert keine Sekunde lang. »Es ist verfügbar.«
    »Noch etwas anderes. Marianna erzählt mir, dass es etwas gibt, das ich Sie fragen soll, weil nur Sie darauf antworten können.«
    »Wie lautet diese Frage, Mr. Ray?«
    »Was ist Odeco, Mr. Chakraboty?«
    Der Junge hört auf zu rudern und lässt das Boot von der Strömung an den Verbrennungsplätzen vorbei zum schiefen Tempel am Scindia Ghat treiben, der sich über den rissigen Schlamm beugt.
    »Odeco ist eine der Mantelgesellschaften für die Künstliche Intelligenz der Generation Drei, die inoffiziell als Brahma bezeichnet wird.«
    »Ich werde Ihnen diese Frage noch einmal stellen«, sagt Vishram.
    »Und Sie werden dieselbe Antwort erhalten.«
    »Was soll das?« Der Bengali hätte genauso gut von Jesus oder James Bond oder Lal Darfan sprechen können.
    Chakraboty dreht sich zu Vishram um. »Welchen Teil meiner Antwort wollen Sie nicht glauben?«
    »Kaihs der Generation Drei – das ist doch Science Fiction!«
    »Ich versichere Ihnen, dass mein Arbeitgeber sehr real ist. Odeco ist tatsächlich eine Risikokapitalgesellschaft, nur dass der Risikokapitalist zufällig eine Künstliche Intelligenz ist.«
    »Die Hamilton-Gesetze, die Krishna Cops ...«
    »Es gibt Regionen, in denen eine Kaih überleben kann. Vor allem im Bereich der internationalen Finanzmärkte, die freizügige Regulierungen verlangen, um ihre sogenannten marktwirtschaftlichen Freiheiten ausnutzen zu können. Diese Kaihs sind ganz anders als unsere Art von Intelligenz. Sie sind verteilt, befinden sich gleichzeitig an vielen verschiedenen Orten.«
    »Wollen Sie mir damit sagen, dass dieser ... Brahma ... der zum Leben erwachte Aktienmarkt ist?«
    »Die internationalen Finanzmärkte haben seit dem letzten Jahrhundert Kaihs geringerer Stufe für Käufe und Verkäufe benutzt. Diese Kaihs entwickelten sich dann genauso rasant wie die Komplexität der finanziellen

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