Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
Vom Netzwerk:
seinem Engagement herumtrampelte, schon bevor sich dieser Kalki-Fall entwickelte, wurde er von dem Gefühl bedrängt, dass er gegen den Wahnsinn Krieg führt, dass die Ordnung einen einzigen Kämpfer gegen das sich ausbreitende Chaos ins Feld schickt, dass alle anderen unterliegen könnten, aber einer übrig bleiben muss, der das Schwert aufnimmt, mit dem das Zeitalter Kalis zu Ende geht. Jetzt setzt sich der Kampf in seinem eigenen Zuhause fort, in seiner Küche, an seinem Esstisch, und windet sich mit blinden weißen Wurzeln um seine Ehefrau.
    »Sie kommen in mein Heim, Sie stellen meinen Haushalt auf den Kopf, Sie feuern meine Köchin, Sie werfen meine Diätvorschriften weg, und ich komme von einem anstrengenden und arbeitsreichen Tag nach Hause und muss mir einen Fraß vorsetzen lassen, den ich nicht essen kann!«
    »Liebster, wirklich, Mutter will doch nur helfen«, sagt Parvati, aber Mr. Nandhas Fingerknöchel sind bereits weiß geworden.
    »Wo ich herkomme, hat ein Sohn Respekt vor seiner Mutter«, erwidert Mrs. Sadurbhai. »Sie haben keinen Respekt vor mir, Sie halten mich für eine dumme und abergläubische Bäuerin vom Land. Sie glauben, außer Ihnen wüsste niemand etwas, es geht nur um Sie und Ihre wichtige Arbeit und Ihre Angreez-Bildung und Ihre schreckliche, melodielose westliche Musik und Ihr fades weißes Essen, das wie Babynahrung ist und nicht für einen richtigen Mann taugt, der richtige Arbeit leistet. Sie halten sich für einen Gora, Sie glauben, Sie seien etwas Besseres als ich und als Ihre Frau, meine Tochter – ich weiß es –, aber das sind Sie nicht, und Sie sind kein Firengi. Wenn die Weißen Sie sehen könnten, würden sie Sie auslachen – schaut mal, der Babu glaubt, er sei ein Westler! Ich sage Ihnen, niemand hat auch nur den geringsten Respekt vor einem indischen Gora.«
    Mr. Nandha ist erstaunt, wie bleich seine Fingerknöchel sind. Er kann die Blutgefäße unter der Haut erkennen. »Mrs. Sadurbhai, Sie sind ein Gast unter meinem Dach ...«
    »Ein schönes Dach, ein von der Regierung bezahltes Dach ...«
    »Ja«, sagt Mr. Nandha langsam und vorsichtig, als wäre jedes Wort ein Eimer Wasser, der aus einem Brunnen herauf geholt wird. »Ein schönes, von der Regierung bezahltes Dach, das ich mir durch Hingabe und Pflichtbewusstsein bei meiner Arbeit verdient habe. Ein Dach, unter dem ich den Frieden, die Ruhe und den geordneten Haushalt erwarte, die mein Beruf verlangen. Sie haben keine Ahnung von dem, was ich tue. Sie verstehen nichts von den Mächten, gegen die ich kämpfe, von den Feinden, die ich jage. Geschöpfe mit den Ambitionen von Göttern, Madam. Wesen, die Sie nicht einmal ansatzweise verstehen können, die unseren Glauben an diese Welt bedrohen, und ich setze mich täglich mit ihnen auseinander. Und wenn meine schreckliche, melodielose westliche Musik, meine fade weiße Firengi-Diät, meine Köchin und meine Putzfrau mir den Frieden und die Ruhe und die häusliche Ordnung geben, damit ich die Kraft für meinen nächsten Arbeitstag habe, dann sagen Sie mir, was daran unvernünftig ist!«
    »Nein«, entgegnet Mrs. Sadurbhai. Sie weiß, dass sie sich in einem Rückzugsgefecht befindet, aber sie begreift auch, dass nur ein Narr mit ungezückter Waffe stirbt. »Das Unvernünftige daran ist die Tatsache, dass ich in alldem nichts über Parvati höre.«
    »Parvati, meine Blume.« Die Luft in der Küche ist träge wie Sirup. Mr. Nandha spürt die Kraft und das Gewicht jedes Wortes, jede Bewegung des Kopfes. »Bist du unglücklich? Fehlt dir irgendetwas?«
    Parvati will etwas sagen, aber ihre Mutter setzt sich einfach über sie hinweg.
    »Was meiner Tochter fehlt, ist etwas Anerkennung, dass sie die Frau eines hingebungsvollen und professionellen Mannes ist und nicht etwas, das sich auf dem Dach eines Häuserblocks im Stadtzentrum verstecken muss.«
    »Parvati, ist das wahr?«
    »Nein«, sagt sie. »Ich dachte, vielleicht ...« Wieder tritt ihre Mutter sie mit Füßen.
    »Sie hätte jeden haben können, jeden – Beamte, Anwälte, Geschäftsleute, sogar Politiker. Sie hätten sie genommen und ihr ein angemessenes Heim bereitet und sie wie eine schöne Blume vorgezeigt und ihr die Dinge gegeben, die sie verdient hat.«
    »Parvati, meine Liebe, ich verstehe das nicht. Ich dachte, wir wären hier glücklich.«
    »Dann verstehen Sie wirklich nichts, wenn Sie nicht wissen, dass meine Tochter die Reichtümer der Mughals hätte haben können. Doch sie würde auf all das verzichten, wenn

Weitere Kostenlose Bücher