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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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ayurvedische Restaurant schließt pünktlich um acht, weil die Philosophie besagt, dass man nicht später essen sollte. Die Szene in der Gasse lässt darauf schließen, dass es nicht mehr öffnen wird. Shiv sieht einen gemieteten Lieferwagen, zwei Ponykarren, drei Liefertrikes und eine Schar nach Stunden bezahlter Gundas, die eine Kette gebildet haben und Pappkartons von der Tür weiterreichen. Oberkellner Videsh demontiert die Tische und blickt kaum auf, als Shiv und sein Wunderknabe hereinstürmen. Madam Ovary ist im Büro und pickt sich die Rosinen aus dem Aktenschrank heraus.
    »Willst du verreisen?«
    »Einer meiner Jungs ist in diesem Moment zu deiner Wohnung unterwegs.«
    »Ich war aushäusig. Geschäftliche Angelegenheiten. Ich habe so etwas hier, weißt du?« Shiv zieht seinen Palmer hervor.
    »Shiv, das ist keine sichere Kommunikation. Nein.«
    Madam Ovary ist eine kleine, dicke, fast kugelrunde Malayali und trägt einen fettigen Zopf, der ihr bis zum Kreuz hinunterreicht und seit zwanzig Jahren nicht aufgeschnürt wurde. Für ihre Jungs ist sie die ayurvedische Mutter, die sie mit Tinkturen und Pulvertütchen behandelt. Wer an sie glaubt, schreibt ihr wahrhaftige Heilkräfte zu. Shiv gibt seine Rezepturen an Yogendra weiter, der sie an Touristen verkauft, die mit den Flussbooten eintreffen. Ihr Restaurant hat internationalen Ruf, vor allem bei den Deutschen. Hier tummeln sich ständig blasse Nordeuropäer mit den abgezehrten Gesichtszügen, die man nach dreißig Tagen unablässiger Verdauungsprobleme bekommt.
    »Dann erklär es mir«, sagt Shiv. »Du wirfst dein ganzes Zeug in Handkarren, und ganz plötzlich ist das hier« – sein kühles rostfreies Fläschchen – »mit Lepra infiziert.«
    Madam Ovary legt ein paar Bilanzen in ihre Plastikaktentasche. Kein Leder, überhaupt keine Tierprodukte. Menschliche Produkte für den menschlichen Verzehr, das ist ayurvedisch korrekt. Das schließt auch die embryonale Stammzellentherapie ein.
    »Was weißt du über nonblastulare Stammzellentechnologie?«
    »Das ist dasselbe wie unsere normale embryonale Stammzellentechnik, nur dass man jede Körperzelle benutzen kann, um Ersatzteile zu züchten, und nicht nur die von Föten. Ein weiterer Unterschied ist der, dass diese Methode nicht funktioniert.«
    »Sie funktioniert ganz wunderbar, und zwar seit elf Uhr Eastern US Standard Time. Was du in diesem Fläschchen hast, ist weniger wert als das Fläschchen selbst.«
    Shiv sieht wieder die Leiche, wie sie vom Fluss fortgetragen wird. Er sieht, wie sich der Sari der Frau hinter ihr aufbläht. Er sieht sie auf der geschrubbten Emaille-Tischplatte im All-Asia, der Klinik für Schönheitsoperationen, offen unter dem Licht. Shiv kann Verschwendung nicht ausstehen. Ganz besonders regt er sich darüber auf, wenn ein unerfahrener Chirurg eine routinemäßige Eiernte in ein Blutbad verwandelt.
    »Es wird immer Leute geben, die sich amerikanische Technologie nicht leisen können. Wir sind hier in Bharat ...«
    »Junge, kennst du die erste Geschäftsregel? Erkenne, wann du deine Verluste begrenzen musst. Meine Betriebskosten sind immens: Ärzte, Kuriere, Polizisten, Zollbeamte, Politiker, Stadträte, alle halten die Hand auf. Der Zusammenbruch ist nahe. Ich habe nicht die Absicht, unter den Trümmern verschüttet zu werden.«
    »Wohin gehst du?«, fragt Shiv.
    »Das werde ich dir auf gar keinen Fall sagen. Wenn du auch nur einen Funken Verstand gehabt hast, hättest du schon vor langer Zeit deine Aktivposten streuen müssen.«
    Shiv hat sich diesen Luxus nie erlauben können. Auf jeder Etappe seiner Reise von der Chandi Basti zu diesem ayurvedischen Restaurant hatte er nie eine andere Wahl. Moral war etwas für Leute, die woanders als in der Basti lebten. Allerdings hätte er die Wahl gehabt, in jener Nacht, als er die Apotheke plünderte. Jeder Badmash konnte sich in den Jahren der Separation eine Waffe besorgen, aber selbst in dieser Zeit war Shiv Faraji ein Mann mit Stil gewesen. Ein Stilist benutzt einen gestohlenen Nissan-Geländewagen, um damit die stählernen Rollläden der Apotheke zu durchbrechen. Danach hatte seine Schwester sich von der Tuberkulose erholt. Die geraubten Antibiotika hatten ihr das Leben gerettet. Er hatte getan, was sein Vater nicht tun wollte, nicht tun konnte. Er hatte ihnen gezeigt, wozu ein Mann mit Mut und Entschlossenheit imstande war. Er hatte keine Paisa vom Geld des Apothekers angerührt. Ein Raja nimmt nur das, was er braucht. Damals war er

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