CyberCrime
Yahoo in den USA registriert, die damit verbundene E-Mail-Adresse lautete aber yahoo.co.uk . Da es sich um einen britischen Domainnamen handelte, konnte Dawson sofort von Yahoo die notwendigen Informationen anfordern. Mit dem Safemail-Account hatte er weniger Glück. Er musste bei einem britischen Gericht den Antrag stellen, dass dieses bei einem israelischen Gericht beantragte, Safemail zur Öffnung von Fred Browns verschlüsseltem Account zu verurteilen. Das dauerte Monate, und während der gesamten Zeit stand er unter dem Druck der Gerichte, den Verteidigeranwälten seine Indizien zu offenbaren und die Ermittlungen zu beschleunigen.
Dawsons Vorgesetzte waren sauer: Er konnte spüren, wie der Druck wuchs. Unter den Opfern der Verbrechen, derentwegen er ermittelte, war niemand aus Humberside – die Kreditkartenbesitzer verteilten sich auf die ganze Welt. Einer, Reverend John, wohnte im benachbarten West Yorkshire, aber das war es auch schon. »Ich kann es mir nicht leisten, einen meiner besten Mordermittler an einem Betrugsfall arbeiten zu lassen, der nichts mit unserer Region zu tun hat!« – diese Warnung hörte Dawson bei mehr als einer Gelegenheit. Aber der Polizist in ihm trieb ihn an. Er wollte nicht aufgeben, und um seine Vorgesetzten zu beschwichtigen, arbeitete er nun in seiner Freizeit an dem Fall. Manchmal brütete er bis tief in die Nacht über den tanzenden Zahlen.
In seiner Verzweiflung darüber, dass die Ermittlungen gegen Adewale Taiwo allmählich sein einziger Lebensinhalt wurden, bat Dawson die lokale Geheimdiensteinheit um Unterstützung. Die konnte ihm nicht helfen, schlug aber vor, Dawson solle sich bei der High-Tech Unit der City of London nach nützlichen Informationen erkundigen. Auch dort erhielt er eine abschlägige Antwort, aber man riet ihm, er solle sich an die Serious Organised Crime Agency wenden.
Nun endlich setzte sich Dawson mit dem geheimen operativen Hauptquartier der SOCA in London in Verbindung. Es könnte aus dem britischen Film Ipcress – streng geheim oder dem Agententhriller Finale in Berlin von Len Deighton stammen: Messingschilder mit dem Namen einer fiktiven Firma, und alle tun so, als würden sie nicht bei der Behörde arbeiten, die Tony Blair einmal als britische Antwort auf das FBI bezeichnete.
Dawson bat um Unterstützung in einem komplizierten Betrugsfall, in den ein mysteriöser Mann namens Fred Brown verwickelt war. Der Rückruf von den hohen Tieren in der Hauptstadt war kurz und bündig. »Was wissen Sie über Fred Brown?« Schließlich, so klang es, war er nur ein kleiner Provinzpolizist aus Humberside.
»Nichts«, erwiderte DS Dawson, »außer dass er hier bei uns in Scunthorpe in Untersuchungshaft sitzt.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Dann fuhr die Stimme fort: »Haben Sie schon mal den Namen DarkMarket gehört?«
»Nein, noch nie. Warum?«
Dawson hatte einen noch größeren Fisch an der Angel, als ihm selbst klar war.
Die Nachricht kam aber auch für die SOCA überraschend. Sie hatten Freddybb schon seit einigen Jahren auf dem Radar, aber die Ermittlungen zu DarkMarket waren nach einer Reihe von Festnahmen im vergangenen Sommer eine Zeit lang nur gemächlich vorangegangen. Dass ein Polizist aus Scunthorpe sie wieder zum Leben erwecken würde, hatten sie sich nicht träumen lassen. Aber seit 2001, als eine Gruppe ukrainischer Cyberdiebe die erste Website für globales Verbrechen eingerichtet hatte, war bei der größten britischen Polizeieinheit für Onlinekriminalität vor allem eines klar geworden: Erwarte das Unerwartete.
Teil II
4 Die Akte Odessa
Odessa, Ukraine, Juni 2002
Sie kamen weit aus dem Norden, aus Sankt Petersburg und aus Lettland an der Ostsee; ein Delegierter traf aus Weißrussland ein, einem Staat, der 1990 anscheinend als lebendiges Denkmal für den Kommunismus gegründet wurde. Die Russen waren stark vertreten, und auch die Ukraine steuerte zahlreiche Delegierte bei, ob aus Ternopil im Westen, Kiew in der Mitte, Charkow im Norden oder Donezk im Osten.
Aber die First Worldwide Carders’ Conference ( FWCC ) war eine wahrhaft internationale Veranstaltung. Manche Teilnehmer waren aus Westeuropa gekommen, andere hatten die weite Reise vom Persischen Golf, aus Kanada oder Südamerika auf sich genommen. In der Pressemitteilung der FWCC wurde beklagt, dass einige Delegierte aus Australien und Südostasien es aufgrund von Reiseschwierigkeiten nicht geschafft hatten.
Aus den rund 400 eingegangenen Anmeldungen
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