CyberCrime
sich im Schockzustand. Erst allmählich wurde ihm klar, dass dies die letzte Station der kleinen Reise war, auf die er sich fünf Jahre zuvor begeben hatte. Es war ein Tag nach seinem zwanzigsten Geburtstag.
24 Die Frankreich-Connection
Marseille, Juni 2007
Da die beiden US -Behörden praktisch nicht mehr miteinander sprachen, führten sie ihre getrennten Razzien gegen DarkMarket parallel durch. Vier Tage vor der vom FBI unterstützten Operation gegen Matrix in Süddeutschland hatte Detective Spencer Frizzell in Calgary unter Federführung des Secret Service Dron festgenommen.
Vier Wochen lang hatte Frizzell den Kreis der »üblichen Verdächtigen« immer weiter eingeengt und die unzähligen Internetcafés aufgesucht, in denen Dron gearbeitet hatte. Schließlich hatte er den durchschnittlich aussehenden Sechsundzwanzigjährigen identifiziert, der bei seinen Geschäften zwischen seinen drei »Freizeituniformen« wechselte. Die Zielperson wohnte in einem hübschen Apartment in der Innenstadt von Calgary, natürlich in angenehmer Nähe zur Light Rail Transit.
Aber weder Frizzell noch der Secret Service waren in vollem Umfang auf das vorbereitet, was sie jetzt erwartete. Der Verdächtige, Nicholas Joehle, hatte gerade 100 Skimmingapparate in der Produktion. Hätte er sie alle verkauft, hätte ihm das 500.000 Dollar eingebracht. Außerdem fand man mehrere hundert klonierungsbereite Blanko-Plastikkarten und Hologramme, die zur Fälschung bereitstanden. Der Besitz der Apparate als solcher war natürlich kein Verbrechen, aber Frizzell hatte mit Sicherheit feststellen können, dass Joehle mit dem Verkauf der Skimmer während der Ermittlungen, also in weniger als zwölf Monaten, etwa 100.000 Dollar verdient hatte.
Einen Verdächtigen wegen krimineller Aktivitäten im Netz festzunehmen, ist das eine; ganz etwas anderes ist es aber, die für eine Anklageerhebung notwendigen Indizien zu sammeln. Da es sich um virtuelle, grenzüberschreitende Verbrechen handelt, ist es äußerst schwierig, einen Staatsanwalt zu Ermittlungen zu veranlassen, und noch schwieriger ist es, ein Gericht zu überzeugen. Außerhalb der Vereinigten Staaten führen Verurteilungen in diesem jungen Fachgebiet der Justiz oftmals zu milderen Strafen als herkömmliche Verbrechen, das heißt, die Strafverfolgungsbehörden müssen hohe Mittel investieren und erzielen nur unspektakuläre Ergebnisse. Bei Dron jedoch war die Sache klar: Je mehr Erfolg er hatte, desto größere Schäden richteten seine Produkte in der lokalen und globalen Wirtschaft an. Ein qualifizierter Techniker wie Dron konnte gewaltige Verluste herbeiführen. Aber insgesamt gibt es im Cyberspace Zehntausende von Kriminellen, und nur einen winzigen Bruchteil von ihnen wird man jemals fassen.
Joehle war zwar schweigsam und ungebildet, aber mit Sicherheit begabt. Mit seiner Kombination aus unternehmerischen und technischen Fähigkeiten wäre ihm nach Strafprozess und Haft sicher ein Comeback gelungen. Sein Know-how hatte er bereits an andere Mitglieder von DarkMarket weitergegeben, und einer davon baute auf der anderen Seite des Globus eine große Fabrik für Skimmer auf. Aber dafür war letztlich weder Dron noch Frizzell zuständig – die Tatsache, dass Kenntnisse in den dunklen Regionen des Web so schnell weitergegeben werden, ist ein weiterer überzeugender Grund, warum die Polizeikräfte der einzelnen Staaten ihre Kommunikation untereinander verstärken sollten.
Nachdem Dron und Matrix aus dem Verkehr gezogen waren, musste die Polizei schnell gegen die nächsten Zielpersonen vorgehen, bevor die DarkMarket-Mitglieder das plötzliche und mehr oder weniger unerklärliche Verschwinden ihrer wichtigsten Kontaktpersonen aus dem Netz bemerkten. Der Secret Service war in dieser Hinsicht gut dran, denn Cha 0 hatte seine Befugnisse als Administrator von DarkMarket genutzt und Dron bereits vor dem Zugriff aus dem Forum ausgeschlossen.
Als Dron noch im Forum postete, hatte Cha 0 mittels seiner Autorität die Geheimnisse aus dem Gewerbe des jungen Technikers in Erfahrung gebracht. Sobald er und sein Team (Cha 0 hatte mehrere Komplizen) den Trick kannten, beendete er Drons Mitgliedschaft, genau wie er es im Dezember 2006 mit JiLsi getan hatte. Jetzt konnte Dron auf DarkMarket keine Werbung mehr machen, und da die meisten anderen Foren im Kampf zwischen den Titanen DarkMarket und CardersMarket zerrieben worden waren, stand der junge Kanadier mit seiner Marketingstrategie vor einem ernsten Hindernis.
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