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CyberCrime

CyberCrime

Titel: CyberCrime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Glenny
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Polizeibehörden und Geheimdienste bedienten sich zwar gelegentlich russischer oder chinesischer Muttersprachler, sie verfügten aber mit Sicherheit nie auch nur annähernd über die finanziellen und linguistischen Mittel, um die Kontrolle über eine russische Site auf die gleiche Weise zu übernehmen, wie es ihnen bei DarkMarket teilweise gelang.
    Auf englischsprachigen Sites konnte man sich also der wahren Identität eines Teilnehmers viel weniger sicher sein. Das Wesen des Web versetzt Menschen in die Lage und ermutigt sie sogar dazu, ihre Identität zu wechseln. Dieses Prinzip war keineswegs nur auf die Welt der Kriminalität beschränkt. Sites zur Partnersuche waren bereits zum Umfeld für eine der dauerhaftesten und intensivsten Formen der Verlogenheit in der Geschichte geworden. In Chatrooms vermittelten die Menschen gern einen Eindruck von Begabung und Bedeutung, der nur in den seltensten Fällen ihrer realen Lebenswirklichkeit entsprach. Das Web begünstigte solche Entwicklungen, weil die Menschen sich kein echtes Bild von den Verhaltensmerkmalen ihrer virtuellen Partner machen konnten. Allen wurde klar, dass man im Web lügen kann, ohne Angst vor Bloßstellung oder Schmähungen haben zu müssen.
    Für Kriminelle galten nicht nur die gleichen Gesetze der Doppelzüngigkeit, sondern sie wandten sie in der Praxis auch besonders geschickt an. Dafür lieferte DarkMarket eine Fülle von Beweisen. Der teuflische Devilman zum Beispiel vermittelte in Chatlogs das Bild eines jungen, lebenslustigen, gut aussehenden Mannes (die meiste Zuneigung wurde ihm allerdings wegen seiner billigen »Dumps« zuteil). Als die Polizei aber an die Tür des Hauses 62 Lime Tree Grove in Doncaster klopfte, der zweistöckigen Doppelhaushälfte, in der Devilmans reales Alter Ego John McHugh wohnte, standen sie einem Mann Anfang sechzig gegenüber, der auf die Mitteilung, er sei festgenommen, als Erstes antwortete: »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich vorher noch mein Gebiss einsetze?« Als es vor Gericht um das Strafmaß ging, führte er als mildernden Umstand unter anderem an, er habe bereits eine künstliche Hüfte und warte auf die zweite, seine Mobilität sei also stark eingeschränkt.
    Ernsthafte Cyberkriminelle kamen aber nur dann ins Geschäft, wenn sie Vertrauen aufbauten: Der Ruf war von entscheidender Bedeutung. Auf DarkMarket bekam man den Titel eines Verkäufers nur dann, wenn man sowohl den Administratoren als auch den Käufern zu deren Zufriedenheit bewiesen hatte, dass man den Markt mit tatsächlich funktionierenden gestohlenen Kreditkarten beliefern konnte. Über solche Transaktionen wachten fünf Administratoren (beziehungsweise drei, nachdem JiLsi ausgeschlossen und Matrix festgenommen war): Master Splyntr, Shtirlitz und Cha 0 (später spielte auch Lord Cyric noch eine Rolle).
    Cha 0 kam im Februar 2006 zu DarkMarket, aber mit seinen beträchtlichen Fähigkeiten stieg er in der Hierarchie schnell auf. Nachdem er seine Stellung als Kronprinz von DarkMarket gefestigt hatte, konnte er sich auf seine eigentliche Geschäftsstrategie konzentrieren. Er wollte zum weltweit führenden Verkäufer für Skimmingapparate und illegale Lesegeräte werden. Nach solchen Gerätschaften bestand eine beträchtliche Nachfrage, und wenn es ihm gelang, ein Monopol zu schaffen, konnte er die nächste Phase seines Plans in Angriff nehmen und seine Einnahmen bei möglichst geringen Anstrengungen maximieren.
    Der Mann aus Istanbul war auf DarkMarket auch für den lebenswichtigen Treuhandservice verantwortlich, und damit besetzte er die vielleicht entscheidende Position des gesamten Unternehmens. Als ehrlicher Makler sorgte er dafür, dass Käufer und Verkäufer von Kreditkarten und anderen illegalen Daten sich nicht gegenseitig übers Ohr hauen konnten. In diesem Sinn war DarkMarket eine Mafiaorganisation im ursprünglichen Sinn des Wortes. Es fungierte als Polizist oder Schiedsrichter auf einem kriminellen Markt, ganz ähnlich wie die Männer, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die landwirtschaftlichen Märkte Siziliens beaufsichtigten, bevor sie in den Handel mit illegalen Waffen und Baugenehmigungen einstiegen.
    Cha 0 s Ruf als peinlich genauer, ehrlicher Treuhandmakler beruhte auf seinem Erfolg als Großhändler für Skimmingapparate. Alle vertrauten ihm. Er dagegen vertraute niemandem. Er gab nie seine IP-Adresse preis und schickte nie eine Nachricht, die ihn mit Gesetzesverstößen in Verbindung bringen konnte, ohne sie zu

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