CyberCrime
verschlüsseln; außerdem war niemand in der Lage ihn digital zu lokalisieren.
Bilal Şen hatte sich irgendwann damit abgefunden, dass Cha 0 im Cyberspace ein schwarzes Loch geschaffen hatte, in dem er sicher und für die Polizei unsichtbar war. Deshalb entschloss sich der Beamte, den Verdächtigen mit eher traditionellen Polizeimethoden ausfindig zu machen; der »Trottelfaktor« erwies sich als erstaunlich wichtiger Aspekt für die Arbeit der Cyberpolizei.
29 Langsam, langsam
Istanbul, Türkei, 2008
Obwohl er immer noch fürchtete, Cha 0 könne Schutz von höchster Stelle genießen, trieb Bilal Şen seine Ermittlungen weiter voran. Er hatte dem Agenten Mularski in Pittsburgh versprochen, ihren Kontakt auch nach seiner Rückkehr in die Türkei aufrechtzuerhalten. Sie hatten die Frage erörtert, ob sie auf DarkMarket Cha 0 s Treuhandservice in Anspruch nehmen sollten, um ihn auf diese Weise aus der Reserve zu locken, aber sie waren schnell zu dem Ergebnis gelangt, dass ein solches Vorgehen zu arbeitsaufwendig war und zu wenig Erfolg versprach.
Natürlich wussten sie noch etwas über ihn: Er handelte mit Skimmern. Ihm digital auf die Spur zu kommen, war unmöglich. Aber wenn Cha 0 die Skimmer herstellte, so Bilals Überlegung, hatte sein Geschäft zwei Schwachpunkte: die Produktion und den Versand.
Das Skimmen von Geldautomaten entwickelte sich in der Türkei derart zum Volkssport, dass immer mehr Polizeibeamte darin geschult wurden, die montierten Geräte zu erkennen. Sie waren vielfach billig zusammengebaut und wurden von Amateuren angebracht. Bei Durchsicht der Berichte über Festnahmen und Beschlagnahmen war dem Inspektor aber aufgefallen, dass Konstruktion und Aussehen der Geräte sich in manchen Regionen nicht nur verbesserten, sondern dass sie offensichtlich auch in großen Stückzahlen hergestellt wurden. Irgendwo musste eine Fabrik sein. Der Geheimdienst machte Şen darauf aufmerksam, es könne Skimmerfabriken in Rumänien oder Bulgarien geben, also schickte er Amtshilfeersuchen an die dortigen Polizeibehörden. Es bestand aber auch die Möglichkeit, dass Cha 0 sein Geschäft als legales Unternehmen tarnte und die Apparate von zugelassenen Herstellern für Kartenlesegeräte in der Türkei bezog.
Nachdem Cha 0 in den Besitz der Skimmer gelangt war, musste er sie vertreiben. Mularski und Şen hatten Indizien gesammelt, wonach seine Produkte bis in die Vereinigten Staaten, nach Neuseeland und Südamerika verschickt wurden und dass es auch Großeinkäufe gab. In solchen Fällen würde er wahrscheinlich keine eigenen Kuriere einsetzen. Das wäre angesichts der Stückzahlen, die er jetzt verschob, zu kompliziert geworden. Bilal überlegte, welche Gründe die Produktionszunahme haben konnte, kam damit aber nicht weiter.
Was er nicht wusste: Ein Jahr zuvor, im späten Frühjahr 2007, hatte Cha 0 sich mit Dron zerstritten, dem kanadischen Skimmerspezialisten, dessen Festnahme der Secret Service und Detective Spencer Frizzell von der Polizei in Calgary damals vorbereiteten. Cha 0 erklärte, Dron sei »ein schwieriger Charakter«, der seine Kunden verunsicherte und damit den guten Ruf von DarkMarket untergraben habe. Die vielen positiven Forumsnachrichten über Drons Service legen allerdings die Vermutung nahe, dass Cha 0 in Wirklichkeit andere Motive hatte – in jedem Fall behaupteten zahlreiche Carder in dem Forum, Cha 0 habe sich Dron gezielt und aus persönlichen Gründen ausgesucht.
Ungefähr einen Monat bevor der junge kanadische Skimmerexperte und -verkäufer von Detective Frizzell festgenommen wurde, gab Cha 0 in seiner Funktion als Administrator bekannt, Dron werde aus DarkMarket ausgeschlossen und dürfe auch nicht mehr zurückkommen. Jetzt konnte Cha 0 seinen Plan, den Markt für Skimmer zu beherrschen, in die Tat umsetzen.
DarkMarket war für Drons Waren zur unentbehrlichen Vertriebsplattform geworden: Er hatte seine Geräte in großer Zahl an Carder verkauft, die in dem Forum seine bezahlten Werbeanzeigen gelesen hatten. DarkMarket diente aber auch als wichtigstes Werbemedium für CrimeEnforcers.com , über das Cha 0 seine Skimmer verkaufte. Cha 0 bot Möchtegern-Cyberkriminellen überdies Paketlösungen an, mit Ausbildung, Handbüchern und allen Gerätschaften, die man für den Anfang brauchte.
Nachdem er jedoch Dron aus der Gleichung entfernt hatte, änderte er sein Geschäftsmodell: Den Interessenten stand es jetzt nicht mehr frei, seine Skimmer zu kaufen, sondern sie mussten sie mieten. Cha 0
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