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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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zerkrallte und sich die Hände blutig scheuerte, um den Funk des Schiffs zu zerstören, und betete, daß die Erde sie verlieren, sie sterben lassen würde ...
    Hiro tobte, aber sicher verstand er und wußte, was zu tun war.
    Er beutelte mich mit der Schmerzschaltung. Kräftig. Gab's mir ordentlich wie mit einem
    elektrischen Viehtreiberstock. Er trieb mich ins Schiff. Er trieb mich durch die )XUFKW
    Jenseits der )XUFKW war Raum. Stille und der Geruch eines Fremden, einer Frau.
    Das vollgepackte Modul war abgenutzt, beinahe anheimelnd; das strapazierte Plastik der
    Beschleunigungsliege war mit abblätterndem Silberband geflickt. Aber worum sich das alles schmiegte fehlte. Sie war nicht da. Dann sah ich an der Wand das irre Kugelschreibergekritzel wie von Gänsefüßen, aber -tausend winzige, krumme Rechtecke in Reihen und Über-lappungen.
    Das klägliche Geschmiere bedeckte fast das ganze hintere Schott.
    Hiros statisches Rauschen flüsterte flehend: )LQG VLH 7RE\ ELWWH )LQG VLH 7RE\ ILQG VLH
    Ich fand sie in der OP-Kabine, einem engen Kabäuschen beim Einstiegschacht. Über ihr die
    VFK|QH 0DVFKLQH der funkelnde OP-Automat, die dünnen Arme, verchromte Glieder einer
    Seespinne, hübsch gefaltet und mit Arterienklemmen, Pinzetten, Laserskalpellen bestückt.
    Hillary war hysterisch, halb weggetreten auf einem schwachen Kanal, wo's irgendwie um die Anatomie des menschlichen Arms ging, um die Sehnen, die Arterien, die grundlegende Taxonomie. Hillary kreischte.
    Es war kein Blut da. Der Automat ist eine reinliche Maschine, die in der Schwerelosigkeit absolut sauber arbeiten kann und das Blut absaugt. Leni war gestorben, bevor Hiro die Luke absprengte. Ihr rechter Arm war über die weiße Kunststoff-arbeitsfläche ausgebreitet, wie in einer mittelalterlichen Zeichnung abgehäutet; Muskeln und anderes Gewebe waren sauber freigelegt und gleichmäßig präpariert mit einem Dutzend rostfreier Nadeln. Sie war verblutet.
    Ein OP-Automat ist sorgfältig gegen Selbstmord programmiert, läßt sich aber im Bedarfsfall als Sezierroboter zur Konservierung biologischen Materials einsetzen.
    Sie hatte eine Möglichkeit gefunden, ihn in die Irre zu führen. Das läßt sich durchaus
    bewerkstelligen, wenn man das Gerät und die Zeit hat. Sie hatte acht Jahre gehabt.
    Da lag sie auf einer klappbaren Liege, die ans fossile Gestell eines Zahnarztstuhls erinnerte; durch die Liege war die ausgebleichte Inschrift quer über dem Rücken ihres Overalls zu sehen, das Warenzeichen eines westdeutschen Elektronik-Konzerns. Ich versuchte, es ihr zu sagen. Ich sagte: »Bitte, du bist tot. Verzeih uns, wir sind gekommen, um dir zu helfen, Hiro und ich.
    Verstehst du? Er NHQQW dich, mußt du wissen. Hiro ist hier in meinem Kopf. Er kennt deine Unterlagen, dein Sexualprofil, deine Lieblingsfarben; er kennt deine Kindheitsängste, deinen ersten Freund, den Namen deines Lieblingslehrers. Und ich hab genau die richtigen Pheromone und bin ein wandelndes Drogenarsenal. Ist bestimmt was nach deinem Geschmack darunter. Und wir können lügen, Hiro und ich; da sind wir Klasse. Bitte. Du mußt das einsehen. Wir sind vollkommen Fremde, Hiro und ich, vollkommen Fremde für dich, Leni.«
    Sie war eine kleine Frau mit glattem blonden Haar, das bereits graue Strähnen zeigte. Ich faßte das Haar einmal an und ging dann auf die Lichtung hinaus. Als ich da stand, begann das hohe Gras zu schaukeln und fing unser Abstieg an. Das Schiff ruhte mitten auf dem landschaftlich gestalteten Aufzugteller. Die Lichtung senkte sich aus dem Himmel herab, und das Sonnenlicht wurde überblendet von großen Dampfbogenlampen, die harte Schatten aufs breite Deck der Luftschleuse warfen. Gestalten in Rot rannten umher. Ein roter Karren auf dicken Gummirädern wich uns mit einer U-förmigen Kehrtwendung aus.
    Nevsky, der KGB-Surfer, wartete schon am Fuß der Gangway, die zum Rand der Lichtung
    gerollt wurde. Ich sah ihn erst, als ich unt'en war.
    »Ich muß die Drogen wieder an mich nehmen, Mr. Halpert.«
    Da stand ich nun taumelnd und hatte Tränen in den Augen. Er griff zu und stützte mich. Ich überlegte, ob er überhaupt wußte, warum er hier auf dem Schleusendeck war als Gelb-gewandeter in rotem Bereich. Aber das war ihm wohl egal; anscheinend war ihm ziemlich alles egal; er hatte die Checkliste parat.
    »Ich muß sie an mich nehmen, Mr. Halpert.« Ich stieg aus dem Overall, rollte ihn zusammen und reichte ihn ihm. Er stopfte ihn in einen verschließbaren Plastikbeutel, verstaute den

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