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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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immer noch Leute, die so naiv sind und glauben, das Einstecken mit
    jemandem, den sie lieben, würde Spaß machen. Ich glaube, die meisten Teenager probiern's
    einmal. Immerhin ist es kinderleicht; Radio Shack verkauft dir die Kiste und die E-troden und die Kabel. Ich aber hatte es nie getan. Und wenn ich's mir recht überlege, bin ich mir jetzt nicht einmal sicher, ob ich den Grund erklären könnte. Oder es überhaupt versuchen wollte.
    Ich weiß allerdings, warum ich es mit Lise machte, mich neben sie aufs mexikanische Futon setzte und die Glasfaseroptik in die Buchse an ihrem Rückgrat, der glatten Wirbelsäule des Hautskeletts, einsteckte. Sie war weit oben am Nackenansatz angebracht, wo das schwarze Haar sie verdeckte.
    Weil sie behauptete, eine Künstlerin zu sein, und weil ich wußte, daß wir irgendwie in einem Zweikampf lagen, den ich QLFKW verlieren wollte. Das mag dir unlogisch erscheinen, aber
    immerhin hast du sie nicht gekannt und kennst sie auch nicht von .LQJV RI 6OHHS was nicht das gleiche ist. Du hast nie diesen Hunger von ihr gespürt, der sich - tückisch in seiner Zielstrebigkeit
    - als nacktes Bedürfnis herauskristallisiert hat. Leute, die JHQDX wissen, was sie wollen, sind mir von jeher unheimlich, und Lise wußte längst, was sie wollte, und wollte überhaupt nichts
    anderes. Nun hatte ich Angst davor, mir einzugestehen, daß ich Angst hatte. Und im Mischraum von Autonomie Pilot hatte ich genug Träume von Fremden gesehen, um zu wissen, daß das
    innere Monster der Leute meist eine Torheit ist, die im klaren Licht des eigenen Bewußtseins albern erscheint. Und dann war ich noch betrunken.
    Ich setzte die E-troden auf und griff nach dem Schalter vom Fast-wipe. Die Studio-Funktionen hatte ich abgestellt und damit aus der 800000 Dollar teuren japanischen Elektronik einstweilen eine der kleinen Kisten von Radio Shack gemacht. »Los!« sagte ich und drückte den Schalter.
    Worte. Worte reichen nicht aus. Oder bestenfalls höchst unzulänglich, wenn ich nur wüßte, wo ich anfangen sollte, das zu beschreiben, was aus ihr hochkam, was sie tat.
    Da ist ein Abschnitt auf .LQJV RI 6OHHS Du fährst gewisser-maßen um Mitternacht auf einem Motorrad ohne Licht, das du irgendwie gar nicht brauchst, düst über eine Küstenstraße am
    Abgrund entlang in einem Tempo, so daß dich völlige Stille umgibt, weil du das Motordröhnen abhängst. Du hängst alles ab ... Es dauert nur einen Bruchteil im .LQJV aber es ist eins der tausend Dinge, die du nicht vergißt, die du wieder hervorkramst, in dein Empfindungsvokabular einbaust. Faszinierend. Freiheit und Tod dicht beisammen, immer auf Messers Schneide.
    Ich kriegte die Große-Leute-Version davon, bloßes Dahinschießen, den Höllen-Teufel-Killer-Stoff, ungeschnitten, echt, der achtmal vor Sonntag in eine Leere explodierte, die nach Armut und Lieblosigkeit und Obskurität stank.
    Und das war der Ehrgeiz von Lise, dieses Dahinschießen, YRQ LQQHQ JHVHKHQ
    Es hat wohl nur vier Sekunden gedauert.
    Und natürlich hat sie gewonnen.
    Ich nahm die E-troden ab und starrte mit wäßrigen Augen auf die Wand. Die gerahmten Poster zerschwammen.
    Ich konnte Lise nicht anschaun. Ich hörte, wie sie die Glasfaseroptik aussteckte. Ich hörte das Hautskelett knarren, als sie es vom Futon hochwuchtete. Hörte, wie es spröde klickte, als sie es in die Küche schleppte, wo sie ein Glas Wasser trank.
    Rubin führt eine dünne Sonde in den rollengelagerten Bauch eines trägen Aufziehtierchens ein und betrachtet die Schaltungen durch ein Mikroskop. Miniaturleuchten haften an seinen
    Schläfen.
    »Und? Du bist geliefert.« Er zuckt mit den Achseln, blickt auf. Es ist jetzt dunkel. Die beiden Lampen leuchten mir ins Gesicht. Kalt und feucht ist es in seiner Wellblechbude. Vom Wasser tönt ein einsames Nebelhorn herüber. »Na und?«
    Jetzt zucke ich die Achseln: »Hab nur ...« Es gibt wohl nicht mehr zu sagen.
    Die Lichtkegel bohren sich wieder ins Silikonherz seines defekten Spielzeugs. »Dann ist alles okay. Hast die richtige Wahl getroffen. Ich meine, sie war darauf aus, zu sein, was sie ist. Wo sie jetzt ist, dafür kannst du wohl ebensowenig wie das Fast-wipe-Modul. Sie hätte sich einen andern gesucht, wenn sie dich nicht gefunden hätte ...«
    Ich arrangierte mich mit Barry, dem Chefredakteur, und bekam zwanzig Minuten um fünf Uhr
    eines kalten Septembermorgens. Lise rückte an und verpaßte mir den gleichen Trip, aber diesmal war ich mit Filtern und Hirnkarten gerüstet, so

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