Cyboria - Die geheime Stadt
Riese setzte sich wieder in Bewegung.
»Aaaah!«, schrie Otto und befreite sich mit einem Purzelbaum aus dem Netz. Er riss sich die letzte Metallspinne aus den Haaren, die anderen hatten sich bereits auf das Fahrrad gestürzt. Mit offenem Mund lag Otto auf dem Boden und sah mit schreckensgeweiteten Augen zu, wie der Schattenmann immer näher kam.
Wieder hob er die unförmige Waffe, und Otto spürte die leichte Wärme eines roten Zielpunktes auf seiner Stirn.
Der Junge robbte zurück, rollte sich zur Seite, sprang auf und rannte über die Straße.
Paff!
Das Geräusch eines Schusses ertönte, aber Otto hatte sich schon ins Gebüsch geworfen. Sofort wirbelte er herum und sprang wie eine Feder wieder auf, ohne auch nur eine einzige Sekunde an Ort und Stelle zu verharren. Er hörte ein Knacken und sah, wie der schwarze Riese die Verfolgung aufnahm. Er verdoppelte seine Anstrengungen und huschte leichtfüßig und schnell durch den Wald, während der Koloss immer wieder durch Äste und Zweige aufgehalten wurde und nur langsam vorankam.
Otto umkurvte geschmeidig einen mächtigen Baumstamm und erreichte die Böschung, die zum Kloster hinabführte. Ohne lange nachzudenken, warf er sich auf den Boden und rutschte rücklings nach unten. Zweige peitschten ihm ins Gesicht, ein stechender Schmerz durchzuckte seine Schulter, aber er verringerte sein Tempo nicht. Erst an den Fundamentpfeilern des Aquädukts kam er zum Halten, dann schlug er einen Haken nach links, instinktiv wie ein Waldtier, fast hätte er dabei auf dem glitschigen Untergrund das Gleichgewicht verloren.
Endlich hatte er die Straße wieder erreicht. Als er einen Blick zurück wagte, bot sich seinen Augen ein beeindruckendes Schauspiel: Zweige und Blätter schienen zu explodieren. Der Riese war an einem Aquäduktbogen ins Straucheln gekommen und zu Boden gestürzt. Aber es war nur eine Frage von Sekunden, dann würde er wieder auf die Beine kommen und ihn weiter jagen.
»Der wird niemals aufgeben!«, stöhnte Otto und mobilisierte seine letzten Kräfte. Er rannte so schnell wie noch nie in seinem Leben, immer dem dunklen Band der Serpentinenstraße folgend. Am Hang tauchten die Lichter des Dorfes auf, ein Hoffnungsschimmer, der ihm neue Kraft gab. Obwohl die Beine schmerzten, beschleunigte er nochmals und erreichte schließlich eine Haarnadelkurve, die auf die Staatsstraße führte. Kaum dort angekommen, blendete ihn grelles Scheinwerferlicht.
Ein Auto!
Otto schrie auf und warf sich zur Seite, um der Gefahr, überrollt zu werden, auszuweichen. Er hörte das Quietschen der Bremsen auf dem Asphalt und kurz darauf aufgeregte Stimmen. Plötzlich war alles um ihn herum gleißend hell.
Ich bin tot , dachte er.
Nicht enden wollende Sekunden vergingen.
Dann öffnete Otto die Augen. Das grelle Licht schien ihm direkt ins Gesicht. Er sah die Fliege, die wie magisch angezogen vor dem Scheinwerfer hin und her flog.
Und er hörte das ferne Zirpen der Grillen.
Verdammt! Er lebte also noch.
Zitternd stand er auf und wandte sich um. Er traute seinen Augen nicht.
»Otto!«, rief eine ihm wohlbekannte Stimme.
Die Beifahrertür des Autos öffnete sich. Otto versuchte etwas zu erkennen, er verstand nicht recht … Wie war das möglich?
»Otto, meine Güte! Alles klar mit dir? Wir hätten dich fast überfahren.«
»Tante Medea?«
Die Schweinwerfer blendeten ab und die Fahrertür öffnete sich ebenfalls.
»Ach du Schreck!«, rief Medeas Freund. »Er stand plötzlich vor mir. Ein Wunder, dass nichts passiert ist!«
Otto blickte zuerst seine Tante, dann ihren Freund an und erkannte schließlich die Silhouette des Alfa Spider.
»Otto? Otto? Alles in Ordnung?«
»Ja, Tante. Alles in Ordnung.«
»Galeno ist abgehauen«, sagte Medea.
»Er ist nicht abgehauen … Er ist …«, stammelte der Junge, er war noch immer zu verschreckt, um einen klaren Satz formulieren zu können. Dann waren metallische Schritte auf dem Asphalt zu hören, die näher kamen.
Eine schemenhafte Gestalt mit weißem Panamahut und zerrissenem dunklen Mantel tauchte am Waldrand auf. »Galeno ist … angekommen«, sagte der Roboter mit schnarrender Stimme.
»Was zum Teufel ist das denn?«, rief der Mann, sprang wieder ins Auto und schlug rasch die Tür zu.
Tante und Neffe tauschten einen kurzen Blick. »Ich fürchte, wir müssen ihn einweihen«, meinte Medea, »er hat mich sofort hierhergefahren. Und er ist ein Mann, er kann uns vielleicht helfen.«
Otto hörte ihr gar nicht zu: »Da war jemand
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