Cyboria - Die geheime Stadt
gefolgt von einem aus der Ferne kommenden metallischen Scheppern, typisch für etwas, das nicht so funktionierte, wie es sollte. Galeno verließ den Führerstand und kam zum Bahnsteig zurück. Er schien verwirrt.
»Galeno versteht das nicht«, krächzte er, »es hat ein Problem gegeben … das Tor öffnet sich nicht.«
Er stieg auf die Schienen hinunter und blickte reglos in den Tunnel, durch den weit entfernte Verkehrsgeräusche zu hören waren.
»Einfach lächerlich«, beschwerte sich Jago, »jetzt wird wohl wieder geklopft.«
Über der Tunneleinfahrt hingen drei Medaillons, auf denen zwei Männer und eine Frau im Porträt zu sehen waren.
»Das sind die Professoren«, rief Otto, »Ettore, Elisabeth und Arnauld.«
Die drei lächelten vor einem himmelblauen Hintergrund, die Szenerie wirkte irgendwie surreal. Elisabeth hatte ein kantiges Gesicht mit spitzem Kinn, lange, kastanienbraune, glatte Haare und große leuchtende Augen.
Das etwas der Welt entrückt wirkende runde Gesicht von Arnauld wurde von einem nach oben gezwirbelten Spitzbart und einer grau melierten Künstlermähne unterstrichen.
Ettore Zisch hingegen hatte dichtes strohblondes Haar, seine blauen Augen wirkten kalt und trotz des Lächelns hoch konzentriert.
»Träume sind der Treibstoff der Realität« , las Medea auf dem Schild unter den Medaillons.
»Professoren sind und bleiben eben Professoren, wahrhaft ein Muster an Bescheidenheit …«, lästerte Jago.
»Warum sagst du das?«
»Siehst du hier vielleicht auch nur einen einzigen der sechsundzwanzig Studenten, die mit von der Partie waren?«
Während sie darauf warteten, dass Galeno das Problem des sich nicht öffnenden Tores löste, erkundeten sie weiter den verlassenen Bahnhof. Sie durchquerten gerade die prächtige Halle aus weißem und schwarzem Marmor, als sich plötzlich mitten in der Wand ein Absperrgitter auftat und ein Verkaufsstand auftauchte.
Die drei gingen verblüfft näher.
Hinter einer elfenbeinfarbenen Theke stand ein lustig anzuschauender weiblicher Roboter mit einem Kopftuch, das früher einmal weiß gewesen sein musste, dazu trug er eine Schürze, die mit der Cyboria-Fackel bestickt war.
Der Kopf des Roboters war dreieckig und durch einen spiralförmigen Hals mit dem Körper verbunden, die Augen waren von langen Blechwimpern umrahmt. Mit einem verdächtigen Knirschen drehte die Roboterdame ihren Oberkörper herum und sagte mit einer kratzenden Grammofonstimme:
»Bitte! Treten Sie heran! Aktuelle Ausgabe! Brandneue Nachrichten aus der Neuen Stadt!«
Im Hintergrund waren Druckmaschinen im Einsatz und spuckten perlmuttfarbene Blätter aus.
Otto nahm sich eines.
Es war eine aus einem einzigen Blatt bestehende Zeitung, noch druckwarm. Die Buchstaben waren nicht schwarz, sondern grau, offenbar war die Tinte schon sehr alt.
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16. Mai 1939
Der Cyborianer
Die Stadt ist bereit! Die Phase der Besiedlung beginnt!
Dreißig Jahre hat es gedauert, bis wir jedes Detail geplant und umgesetzt hatten, aber jetzt sind wir bereit, die ersten auswärtigen Bewohner aufzunehmen. Die Strukturierung des Geländes, Bau und Inbetriebnahme der Gebäude sind abgeschlossen, die Verfassung ist verabschiedet. Wer uns nach den Aufnahmebedingungen fragt, dem antworten wir: Es gibt nur eine einzige. Neue Ideen. Cyboria ist für alle, aber nicht für jeden.
ETTORE ZISCH
Meine Assistenten und ich in der Klinik sind, um es vorsichtig auszudrücken, aufgeregt. Ich habe gewettet, dass der erste Fremde, der einen Fuß nach Cyboria setzen wird, eine Frau sein wird. Lasst mich diese Wette nicht verlieren, Bürgerinnen der Zukunft! Cyboria ist der Ort, an dem alle ihren Platz haben, unabhängig von Herkunft und Geschlecht. Allen Menschen ist eines gleich: Sie sind verschieden.
ELISABETH BUWLER - LYTTON
Schwärmt aus, Führer! Geht in alle Städte der Welt, um unsere heiß ersehnten neuen Bürger zu finden! Bringt ihnen Luminario bei, die spontanste Sprache der Welt, die ganz leicht zu erlernen ist! Euch, Bürger der Zukunft, bitten wir: Beeilt Euch, damit wir nicht länger warten müssen und unser Werk vollenden können.
ARNAULD D’ URÒ
Gratisausgabe – Verkauf verboten–vosichtig zu verschenken – selbstgedruckt mit der D’ URÒ Monotype, Paris.
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»Habt ihr das Datum bemerkt?«
»In diesem Jahr scheint tatsächlich alles stehen geblieben zu sein.«
»Die Zeitung ist schon ziemlich alt.«
»Aber sie drucken sie noch immer«, sagte Jago, »wahrscheinlich haben diese Herrschaften
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