Cyclop
Steuerbordankerschacht explodierte ebenfalls eine Granate. In einer ganzen Wolke sausten verrostete Kettenglieder wie Schrapnelle umher.
Aber eine dritte Salve sollte es nicht geben. Pinon stand zur Säule erstarrt und hielt sich mit den Händen schraubstockhart am Geländer seiner Reling fest. Er starrte nur nach oben auf die drohende dunkle Masse, die sich über seiner Fregatte nun auftürmte. Sein Gesicht war kreidebleich, und in seinen Augen stand die nackte Panik über der Erkenntnis, daß dies das Ende seines Schiffes war.
Zwar liefen die Schrauben noch mit höchster Kraft, aber nicht schnell genug, um noch zu entkommen. Kein Zweifel, die
Amy Bigalow
würde ihr Ziel nicht verfehlen. Es stand außer Frage, daß eben dies ihre Absicht war.Pitt war in der Tat wild entschlossen. Er schnitt dem Patrouillenboot den Winkel ab und zielte genau mittschiffs. Die Leute der Besatzung auf der Fregatte, die an Deck waren und das drohende Unheil auf sich zukommen sahen, standen wie ihr Kapitän starr und gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange, ehe sie sich am Ende doch zu etwas entschließen konnten, nämlich in Panik über Bord zu springen.
Der zwanzig Meter hohe Bug der
Amy Bigalow
schnitt knapp vor der hinteren Geschützlafette durch die Fregatte, zerquetschte die Stahlplatten wie Blech und bohrte sich fast zehn Meter in ihren Rumpf. Pinons Patrouillenboot hätte vielleicht immer noch die Kollision überstehen und sich noch zurück zum Ufer retten können, ehe es sank, wäre nicht der Bug der
Amy Bigalow
von der Wucht des Aufpralls nach oben aus der klaffenden Wunde des Bootes hochgestiegen wie eine Ramme. Er hing einen Augenblick in der Schwebe, um dann mit Wucht wieder herabzusausen und das Patrouillenboot buchstäblich in zwei Teile zu reißen, woraufhin sich dessen Bug augenblicklich senkte und im Wasser verschwand.
Sogleich liefen die getrennten Bootshälften voll Wasser, beschleunigt noch durch den Wassereinbruch über die geborstenen Bullaugen, und in kürzester Zeit standen die Mittelteile senkrecht und sanken weg. Es ging alles sehr schnell. Schon als die nachfolgende
Ozero Zaysan
über die Stelle der Kollision geschleppt wurde, war das Patrouillenboot vollständig verschwunden. Nur noch ein paar Leute der Besatzung kämpften im Wasser um ihr Leben.
72
»Sie sind was? In eine Falle geraten?« Velikows Stimme kam tonlos und hart über das Telefon.
Borschew fühlte sich unbehaglich. Er konnte nicht gut eingestehen, daß er einer von drei Überlebenden war – von insgesamt vierzig Leuten – und selbst nicht einmal eine Schramme hatte. »Eine unbekannte Streitmacht von schätzungsweise mindestens zweihundert Mann -
Kubaner – eröffnete schweres Feuer auf uns, ehe wir noch die Wagen verlassen konnten.«
»Sind Sie da ganz sicher, daß es sich um Kubaner handelte?«
»Wer sonst sollte so etwas geplant und ausgeführt haben? Ihr kommandierender Offizier trug eine kubanische Uniform.«
»Ferez etwa?«
»Kann ich nicht sagen. Wir brauchen Zeit, ihn zu identifizieren.«
»Vielleicht war es nur ein Versehen der grünen Truppe, die in Dummheit oder auch Panik reagierte.«
»Dummheit war das mit Sicherheit nicht. Ich weiß, wann ich eine hochspezialisierte Kampftruppe vor mir habe. Sie wußten, daß wir kamen, und hatten einen wohlüberlegten Hinterhalt vorbereitet.«
Velikows Gesichtsausdruck zeigte völlige Verständnislosigkeit. Dann aber lief sein Kopf schnell hochrot an. Der Überfall auf Cayo Santa Maria kam ihm in den Sinn. Er konnte seinen Zorn kaum noch bezähmen. »Was hatten sie denn eigentlich vor?«
»Eine Verzögerungsaktion, um sich der Schiffe zu bemächtigen.«
Diese Antwort verblüffte Velikow. Er hatte das Gefühl, zu Eis zu erstarren. Die Fragen sprudelten ihm aus dem Mund. »Soll das vielleicht heißen, die Rwm-and-Co/a-Schiffe sind gestürmt worden? Liegen sie noch an den Docks?«
»Nein, ein Schlepper hat die
Ozero Zaysan
weggeholt, und die
Amy Bigalow
ist mit eigener Kraft abgedampft. Ich habe sie aus den Augen verloren, nachdem sie hinter der Biegung zum Kanal verschwunden waren. Kurz danach hörte ich Schüsse. Es schienen Marinekanonen zu sein – an der Kanaleinfahrt.«Auch Velikow hatte Kanonendonner gehört. Er starrte die gegenüberliegende Wand mit leerem Blick an und versuchte, eine Vorstellung von den Leuten zu gewinnen, die hier offensichtlich seinen ganzen sorgfältigen Plan durchkreuzten. Er verwarf jeden Gedanken daran, daß Castro-treue Geheimdienstleute irgend
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