Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
umgebenen Garten neben dem Badehaus und über ebendiese Mauer hinweg, wo fehlende und schief übereinandergesetzte Steine guten Halt boten. Auf demselben Weg kehrte Cyrion auch wieder zurück und hielt nur einen Augenblick inne, um den Wachtturm am Rande der Klippen zu betrachten. Vor dem schwindenden Mondlicht hoben sich die Umrisse des Gebäudes scharf ab, die deutliche Schräglage, die zerklüftete Brustwehr, die zwei oder drei schwarzen Fensteröffnungen. Er sah mehr nach einem Spukhaus aus als alles andere, während auf dem Abhang davor eine Ansammlung von Sarkophagen den Friedhof von Flor bezeichnete. Eine perfekte Ergänzung.
    Die unförmige Gestalt glitt die Mauer empor, schwang sich in den Hof des Badehauses und huschte aus dem fahlen Mondlicht durch einen Seiteneingang in das düstere Innere des Hauses hinein.
    Der Raum lag völlig im Dunkeln, nur das Wasser in den Becken, das nicht abgelassen worden war, schimmerte geisterhaft unter einem hohen, unverschlossenen Fenster.
    Cyrion umrundete ein Zierbassin mit dem Relief einer Seeschlange und bog in den Gang ein, der zum Innenhof des Hauses führte. Auf halbem Wege blieb Cyrion, wie auch Mevary es vorher getan hatte, neben dem eindrucksvollen, aber ausgetrockneten Brunnen stehen.
    Schon am Abend hatte er eine Lampe bemerkt, die an einem Messinghaken über dem Brunnen hing, aber sie anzuzünden war wegen der Öffnung im Dach zu gefährlich. Statt dessen wurden Feuerstein, Zunder und ein Stück Kerze in Gebrauch genommen. In dem matten Lichtschein wurden die Farben des Mosaiks an der hinteren Einfassung des Brunnens sichtbar.
    Cyrions Untersuchung des oberen Brunnenteils war sorgfältig, aber wenig aufschlußreich. (Mevarys Verhalten, als er neben dem Brunnen stehengeblieben war, hatte Cyrion auch keinen Hinweis darauf gegeben, nach was er suchen sollte.)
    Die gedrehten Säulen stützten ein Dach, das überflüssig geworden war, als man den gesamten Hof überdachte. Die Ketten, an denen man große Eimer hinablassen konnte, waren verschwunden, aber die bronzenen Befestigungen befanden sich noch an Ort und Stelle: zwei Löwenköpfe mit großen Ringen zwischen den Kiefern. Durch die Ringe führte ein dickes Tau, das dann straff in den Brunnenschacht hing, als wäre es mit einem Gewicht beschwert, aber es endete nutzlos in den Schatten über dem nackten Steinboden, ungefähr fünfzehn Meter weiter unten. Der Boden war in der Mitte sauber, glatt und vollkommen leer. Kein Wasser blinkte geheimnisvoll, kein Geisterschiffchen tauchte auf. Gedankenverloren hob Cyrion eines der dürren Blätter auf, die durch die Löcher im Dach hereingeweht worden waren. Er ließ es in den Brunnen fallen und sah zu, wie es langsam in die Tiefe schwebte.
    Wenige Augenblicke später löschte er die Kerze. Merkwürdigerweise blieb es trotzdem hell.
    Ein geisterhafter Lichtschimmer näherte sich tanzend in dem Gang. Dahinter bewegte sich eine dunkle Gestalt.
    Cyrion schob die Kerze in sein Hemd - zwischen den Polstern konnte er allerlei unterbringen - und schritt auf das neue Licht zu. Er hatte beinahe den Bogen erreicht, der zu dem Innenhof führte, als das Licht und die dunkle Gestalt mit ihm zusammenstießen.
    Die Gestalt wich zurück und hob einen Flügel. Etwas funkelte. Eine drohende Stimme flüsterte: »Dämon oder Geist, hebe dich hinweg. Ich befehle es dir bei der Macht dieses Amuletts.«
    Cyrion, ingwerhaarig, eulenhaft, alle Polster an Ort und Stelle, stand regungslos in dem Lichtkreis einer kleinen, antiken Öllampe. Die schmale Hand, die die Lampe hielt, zitterte nicht. Die andere schmale Hand hielt einen großen Skarabäus aus poliertem grünem Stein in die Höhe, in den magische Augen und ähnliche Symbole eingraviert waren: ein Talisman, in dessen Wirksamkeit die Gestalt großes Vertrauen zu setzen schien. Die Gestalt war überdies weiblichen Geschlechts und sehr schön.
    Cyrion starrte ihr ins Gesicht und machte - in seiner Rolle als Roilant - einen dümmlichen Eindruck. Sie starrte in sein Gesicht und holte tief Atem. Die Hand mit der Lampe begann zu zittern und Öl tropfte auf die trockenen Blätter am Boden.
    »O Herr - Ihr seid Fürst Roilant, nicht wahr? Vergebt mir, Herr.«
    »Oh -«, sagte Cyrion verwirrt und immer noch dümmlich starrend.
    »Herr, ich sah ein Licht, das sich bewegte. Man wird Euch gesagt haben, daß in diesem Teil des Hauses - übernatürliche Dinge geschehen. Ich hatte Angst. Aber da es mir noch schrecklicher erschien, von diesem Ding verfolgt zu

Weitere Kostenlose Bücher