Cyrion
werden, lief ich darauf zu und vertraute auf das Amulett, das mich schon früher beschützt hat.«
»Ich konnte nicht schlafen«, sagte Cyrion. »Als mir dann einfiel, daß ich ein Kleidungsstück in dem Badehaus liegengelassen hatte, wollte ich es holen. Es war mein Licht, daß Ihr gesehen habt.«
Sie musterte ihn eingehend. Ob sie ihm glaubte, war nicht zu erkennen, aber sie machte eine anmutige Verbeugung, bei der, als das Licht ihrer Lampe über sie fiel, ihre Schönheit voll zur Geltung kam. Sie hatte eine zarte, olivfarbene Haut, aber ihre Augen waren von einem kühlen Silbergrau. Dunkles, schimmerndes Haar fiel schwer bis zu ihren Knien hinab und als es bei der Verbeugung über ihre Schultern glitt, verlieh der Lichtschein ihm einen flüchtigen rötlichen Glanz.
»Herr«, murmelte sie, »ich bin Jhanna, die Sklavin der Fürstin Eliset. Herr -«, wieder schaute sie ihm ins Gesicht, schloß ihre Augen, wie um zu beten, öffnete sie wieder und fuhr hastig fort: »Ich flehe Euch an, erzählt ihr nicht, daß Ihr mich hier gefunden habt. Ich - habe Angst vor ihr, Herr. Sie wird mich schlagen oder noch Schlimmeres. Viel schlimmer. Ich bitte Euch -«, plötzlich lag sie inmitten trockener Blätter im Staub auf den Knien, ohne dabei etwas von ihrer Würde einzubüßen, das Nachtgewand glitt von einer seidigen Schulter herab, ihre Lider bebten und auch ihre Hände, so daß der Lichtschein über die Wände tanzte. »Ich habe von Eurer Freundlichkeit gehört. Habt Mitleid.«
Mit angestrengt gerunzelter Stirn suchte Cyrion nach Worten.
Schließlich fand er etwas Passendes.
»Steh auf. Es ist nicht nötig, daß du vor mir kniest. Ich werde nichts sagen.«
Sie erhob sich wie eine Königin. Ihre Erregung war verschwunden.
»Ich glaube Euch, Herr. Ihr werdet eine Frau, die hilflos und allein in einer Schlangengrube lebt, beschützen.«
Cyrions Stirnrunzeln wurde noch angestrengter.
»Was für Schlangen?«
Ihre Zähne blinkten gefährlich weiß, und das Lächeln, das sie enthüllte, war ebenso gefährlich.
»Ihr wißt es, Herr. Eure Cousins. Er ist ein grausamer Unhold. Sie eine Hure. Und - eine Hexe.« Dieses letzte kam zischend, wie sie die Beschwörung hinter dem Schild des grünen Skarabäus gezischt hatte. Ihre Augen, kühn wie die eines jungen Kämpfers, blickten in Cyrions dunklere, momentan weniger eindrucksvolle. »Kommt«, sagte sie, »ich bin in Eurer Hand. Ihr könnt offen zu mir sein, die ich weniger bin als nichts. Ihr wäret nicht hierher gekommen, in diesen Pfuhl des Bösen, wenn sie Euch nicht mit ihren bösen Künsten gezwungen hätte. Ich habe von Euch gehört. Von Eurer Anständigkeit, Eurer weisen Erhabenheit. Daß Ihr Euch mit einer anderen vermählen wolltet, einer reinen Jungfrau in Heruzala. Wollt Ihr Euch denn von der Reinheit der Sünde zuwenden? Sie hat Euch mit Ihren Künsten verhext und mit ihrem schönen Körper. Seid Ihr verloren, Herr? Oder könnt Ihr Euch noch befreien? Gibt es einen Weg?«
»Ich glaube kaum«, begann Cyrion pompös. Dann zerbrach sein aufgesetztes Gehabe unter ihrem unbeirrbaren Blick. »Dies ist kaum der Ort, um darüber zu sprechen«, endete er lahm.
Jhanna senkte die Augen und hob sie wieder. Sie sah aus wie eine Prinzessin. Sie sagte stolz, sogar hochmütig: »Ihr dürft mir zu meiner Kammer folgen, Herr. Ich vertraue darauf, daß Ihr mir kein Leid zufügen werdet. Und wenn doch, was macht es aus? Schon vor langer Zeit fiel meine Keuschheit dem Fürsten Mevary zum Opfer, der mich vergewaltigte und mich jetzt noch gegen meinen Willen als seine Geliebte hält. Einmal versuchte ich ihn zu töten. Das war das Ergebnis -« sie drehte den Kopf und strich sich ihr Haar zurück. Ihr fehlte das rechte Ohrläppchen.
Cyrion fluchte leise.
»Mit dem Messer«, sagte sie, »mit dem ich ihn töten wollte. Er ist gerecht, Herr, wie Ihr zugeben werdet.«
»Zu Eurem Zimmer«, willigte er ein. »Seid beruhigt, ich würde nicht - du hast nichts von mir zu befürchten.«
»Kommt also. Ich will Euch jetzt gestehen, daß ich gelogen habe. Ich war auf der Suche nach Euch, und Gott hat mir die Gnade gewährt, Euch zu finden. Ich schwöre, daß ich Euch helfen werde, wo ich nur kann, um Euch zu schützen und jene zu vernichten, die ich hasse.«
Ihr Gesicht sagte alles. Kein Mensch mit auch nur ein bißchen Verstand oder Beobachtungsgabe hätte ihre Worte angezweifelt. Selbst Cyrion hatte keinen Zweifel. Ihre Ausstrahlung war wie ein Schlag.
Dann berührte sie mit dem Talisman
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