Cyrion
ihre Stirn und löschte die Lampe.
»Bleibt dicht hinter mir. Sie werden nichts merken. Sie sind zusammen in ihrem Bett.«
Cyrion dankte ihr nicht für diese Enthüllung. Er wußte es bereits.
Sehr vorsichtig und leise bewegten sie sich durch den Innenhof, umgingen die Zisterne und hielten sich im Schatten der Mauer. Erst als sie den kurzen Gang hinter sich hatten, der zu dem tiefer liegenden Küchenhof führte, stolperte Cyrion über einen Stein. Selbst das verursachte kaum ein Geräusch.
In dem Hof befand sich ein Brunnen, der letzte Brunnen Flors, und darum herum gruppierten sich das Küchengebäude, das Waschhaus und die im Dunkel liegenden Unterkünfte der Diener und Sklaven. Früher einmal war es hier geschäftig zugegangen, selbst nachts, und durch einen anderen Torbogen hatte man die Pferde hören können, aber das war vorbei. Jetzt raschelte nur noch ein verdorrtes Schlinggewächs an der Mauer. Nirgendwo schien ein Licht.
Das Mädchen führte ihn durch eine niedrige Tür in einen Raum, in dem es vollkommen dunkel war. Sie bewegte sich rasch und sicher in der ihr vertrauten Umgebung, rückte einen Wandschirm vor die Tür und zog noch einen Vorhang darüber. Die Lampe wurde wieder entzündet.
Es war ein Raum ohne Fenster. Die Kammer einer Sklavin. Sie hatte ein paar Einrichtungsgegenstände zusammengetragen, eine Truhe, eine Waschschüssel und einen Krug, einen Stuhl. Das Bett war das einzige verhältnismäßig prunkvolle Möbelstück, eine Matratze mit Kissen, Teppichen and einem Knäuel von drei oder vier Tüchern, deren oberstes zartgelb schimmerte. Sie deutete auf das Bett und sagte kalt: »Wenn er hier ist, möchte er weich liegen.« Dann machte sie eine Handbewegung zu dem Stuhl. »Ich kann Euch keinen anderen Platz anbieten.«
»Ich werde stehen. Außerdem werde ich nicht lange bleiben. Diese Dinge, die du gesagt hast - du brauchst keine Angst zu haben, daß ich dich hintergehe. In gewisser Weise ist es mir genauso ergangen, wie du angedeutet hast. Ich wurde herbefohlen und konnte nichts dagegen tun. Aber«, sagte er, »immerhin war es tatsächlich meine Pflicht. Ich wollte die Verlobung auflösen. Nun hoffe ich, wenn ich den Vertrag einhalte und sie heirate -«
»Dann«, unterbrach Jhanna ihn mitleidig, »wird sie Euch töten. Sie giert nach dem ganzen Reichtum von Beucelair, damit er und sie ihn verschwenden können und alles zugrunde richten, wie sie diesen Besitz zugrunde gerichtet haben. Nach dem Vorbild ihrer ehrenwerten Ahnen.«
Cyrion sah sie bedrückt an.
»Nun«, stotterte er, »es scheint - scheint, daß ich meinem Schicksal nicht entgehen kann.«
Sie atmete heftig. »Ihr könntet sie töten.«
»Ich kann nicht -«
»Skrupel, trotz ihrer schwarzen Hexenkünste? Habt keine Bedenken, Herr. Sie ist eine Hexe.«
»Nun... welche Waffe würde denn gegen ihre Künste helfen? Und wie kann man eine Entdeckung vermeiden?«
»Ha«, sagte sie, »Ihr lernt schneller, als ich dachte.«
»Ich bin ein verzweifelter Mann«, er zuckte hölzern die Schultern.
»Ich wollte Euch nicht beleidigen, vergebt mir. Aber Ihr begreift schneller, als ich zu hoffen wagte.« Sie war wie Feuer, das im geheimen brannte, aber um so heißer. »Also gut, es könnte eine Möglichkeit geben, sie zu überwinden und zu strafen. Wollt Ihr mir zuhören?«
Die rundliche Gestalt bewegte sich zur Tür. Und setzte sich auf den Stuhl dort.
»Ich werde zuhören.«
2. Kapitel
Es stimmte. Eliset war wie der Morgen. Das reine Gold ihrer Haare, über denen heute ein zarter Schleier lag wie silbern schimmernder Dunst, die weiße, makellose Haut und das weiße Kleid. Ihr erster Auftritt in dem verschlissenen Kleid hatte einen Eindruck erweckt, vor dem Mevary sie gewarnt haben mußte, nach Roilants Bemerkung im Badehaus über den Unterschied in der Kleidung von Cousin und Cousine. Vielleicht hatte sie beim ersten Mal gehofft, an sein Herz zu rühren. (Seltsame Idee - das Herz seines angstvollen Opfers zu rühren - wahrscheinlich gehörte es zu ihrem beiderseitigen Spiel, ihrer Falschheit und seinem Selbstbetrug.) Bei diesem ersten Treffen hatte sie außerdem eine hohlköpfige Koketterie und Albernheit zur Schau getragen, die seither verschwunden waren.
Eliset war sich seiner sicherer geworden, ihres gehorsamen Cousins Roilant. Oder das Gegenteil.
Jetzt stand sie in dem spärlichen Schatten eines kleinen Baumes mit gelben Blüten und legte ihre Hand, an der kein einziger Ring funkelte, auf den grauen Steinblock.
»Hier
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