Cyrion
durch das Fenster fiel. Obwohl einfach gekleidet und ohne Schmuck, hatte sie einen feinen, bestickten Schleier angelegt, der jetzt den größten Teil ihres Gesichts verdeckte. Nur ihre ineinanderverkrampften Hände verrieten sie.
Schließlich trat der Priester durch eine Seitentür herein, gefolgt von einem Jungen, der die Pergamentrollen trug.
Ein mehr als schlichtes Gebet wurde gesprochen und dann begann die Trauungszeremonie, gerade als die Glocke auf der Zitadelle Mittag läutete.
Die Zeremonie, das konnte niemandem verborgen bleiben, war bis auf das Skelett reduziert worden, und auch mit diesen abgenagten Knochen wurde mit unziemlicher Hast umgegangen. Der Priester, ein in weiße Gewänder gehüllter, vollbärtiger Mann mit ungebärdigen dunklen Locken, die unter dem Tuch hervorquollen, das er über den Kopf gelegt hatte, leierte an manchen Stellen Unverständliches, und an anderen geriet er ins Stottern. Auch schien ihm der rothaarige Bräutigam ganz und gar nicht zuzusagen, während er die Braut mit schwermütigen Blicken bedachte. Als er symbolisch ihre Hände mit einem fransenbesetzten Streifen Seide verband, glitt es ihm aus den Fingern. Der Chorknabe fing es auf, bevor es den Boden erreichte. Beim Ringtausch erwies sich der Bräutigam als gleichermaßen ungeschickt, und Metall klirrte auf den Steinboden. Beide Male zeigte Eliset keine Regung. Vermutlich wußte sie, daß diese Zeremonie, obwohl jeder Würde beraubt, sie dennoch zu Roilants rechtmäßiger Ehefrau macht.
Dokumente wurden unterzeichnet. Der Obmann der Trauzeugen nahm die übliche Geldsumme in Empfang, und alle zusammen eilten sie fröhlich schwatzend zur Tür hinaus.
Cousin Roilant, der sich in seiner neuen Rolle noch etwas unsicher zu fühlen schien, teilte Eliset mit, daß er in dem gegenüberliegenden Gasthaus ein Zimmer gemietet hatte, wo sie essen und etwas ausruhen konnte, bevor sie sich gemeinsam auf den Rückweg nach Flor machten. Eliset dankte ihm mit äußerster Höflichkeit und nickte ebenso höflich zu all den anderen Fragen nach ihrem Wohlbefinden und der nur angedeuteten Zusicherung, daß er noch eine Stunde oder so in der Stadt zu tun haben und das Zimmer nicht mit ihr teilen werde. Ungefähr zwei Meter vor dem Ausgang brach Eliset in ein wildes Gelächter aus, das unter der Kuppel widerhallte.
Ihr Ehemann betrachtete sie besorgt und war eindeutig der Meinung, daß die Aufregungen des Tages wohl zuviel für sie gewesen waren.
Als sie sich wieder gefaßt hatte, meinte sie nur: »Hast du gut geschlafen letzte Nacht, Roilant?«
»Ich? Oh ja - sehr tief sogar.«
Hinter ihrem Schleier schien sie nahe daran zu sein, irgendeine finstere Drohung auszusprechen, aber sie beherrschte sich.
»Ich habe Hunger«, sagte sie.
Also gingen sie ins Gasthaus, und dort verabschiedete er sich von ihr, um in der Stadt seine Geschäfte zu erledigen.
Ein Teil dieser Geschäfte saß in dem anderen Gasthaus vor einem Becher Wein, neben sich ein Bündel, in das ein Priestergewand und ein dunkles Knäuel aus falschen Haaren verpackt waren.
Als Cyrion sich setzte, hob der wahre Roilant, der wieder eine andere Perücke auf dem Kopf und Schweißtropfen auf der Stirn trug, den Blick.
»Das hat mir«, verkündete Roilant, »absolut nicht gefallen.«
»Ihr wolltet Heimlichkeit. Je weniger Mitwisser, desto besser, also mußtet Ihr eine Rolle selbst spielen. Außerdem dachte ich, Ihr würdet es genießen. Galgenhumor oder etwas in der Art.«
»Da habe ich mich geirrt. Außerdem war es höllisch schwierig. Der alte Priester war einverstanden, als ich sagte, ich wollte eine Stunde lang alleine in der Kapelle beten. Dann, als ich herkam, begann er Einwände zu machen.«
»Also habt Ihr die Bestechungssumme verdoppelt.«
»Verdreifacht.«
»Ah.«
»Nein, ich finde es nicht lustig. Das ist das erste Mal, daß ich sie gesehen habe, seit ich fünfzehn war. Und trotz des Schleiers
- Cyrion!«
»Was?«
»Ich kann nicht glauben, daß sie solcher Missetaten fähig ist.«
Cyrion stützte sein rundliches Gesicht in die schmale Hand.
»Ihr könnt immer noch an meiner Statt zu ihr zurückgehen und ein volles Geständnis ablegen, mein Lieber. Bestimmt wäre sie entzückt. Sie besitzt selbst einen etwas bitteren Sinn für Humor. Andererseits, wenn Eure Befürchtungen richtig sind, werden sie sich heute nacht bestätigen.«
»Sie werden versuchen, Euch zu töten.«
»Nein, sie werden versuchen, Euch zu töten, den ich nur darstelle, wenn auch mit
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