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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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und einem Fürsten der Stadt in die Wege zu leiten. Als Grund nannte er wahrscheinlich ihre Unkeuschheit, die, in der Hochzeitsnacht entdeckt, Schmach und Schande über die Familie bringen würde. Marival, deren Geduld an diesem Tag kurz bemessen war, überschüttete Jolan daraufhin mit der Strafpredigt seines Lebens. In diesen Augenblicken verwandelte Liebe sich in Haß. Seine magische Fähigkeiten waren groß genug, um irgendein Unheil auf sie herabzubeschwören, dem sie nicht entgehen konnte, er hatte es nicht nötig, auf vergiftetes Essen zurückzugreifen. Habe ich nicht recht, daß zur Essenszeit der Zauber schon gesprochen war, Fürst Jolan?«
    »Ja«, sagte Jolan. Aus trockenen Augen starrte er auf den Teppich. »Es war so, wie Ihr gesagt habt. Was die anderen betrifft, habt Ihr vermutlich auch recht. Drei stinkende Mörder. Es ist beinahe ein erbärmlicher und grausiger Witz.«
    »Und«, fügte Cyrion hinzu, »es wird noch besser.
    Während des Essens rang Marival nach Luft, griff sich an den Hals und die Seite und verlor schließlich das Bewußtsein. Alle drei, jeder von ihnen bemüht, seine schuldbewußte Freude und sein Entsetzen vor den anderen zu verbergen, brachten Marival zu Bett. Ihr Zustand verschlechterte sich und Ihr standet um sie herum, zitternd, bebend und ihren Tod erwartend, jeder in dem Glauben, er sei dafür verantwortlich. Aber das Ende kam nicht so schnell, und schließlich seid Ihr davongeschlichen, um Eure Ängste und Eure Rechtschaffenheit zu pflegen. Marival blieb der Obhut Naldinus’ überlassen.« Cyrion blickte auf und sah den Priester an. Die tiefliegenden, vergeistigten Augen des Mannes zuckten und verschleierten sich. »Naldinus«, sagte Cyrion, »Priester - Gelehrter - Magier - Arzt - Erneuerer. Der keusche Naldinus. Der beherrschte Naldinus, dessen Glaube ihm nicht gestattet, mit lebendem weiblichen Fleisch zu liegen.
    Naldinus«, fuhr Cyrion fort, »kannte die Stimmung, die im Hause herrschte. Er brauchte keine medizinische Gelehrsamkeit, um herauszufinden, was Marival fehlte, und es ist anzunehmen - Ihr müßt nicht so bescheiden sein, mein Lieber -, daß er sie hätte retten können. Aber Naldinus, allein in dem Schlafzimmer mit dieser halbtoten Frau, War von zwei Gedanken besessen. Den ersten setzte er rasch in die Tat um und verabreichte ihr ein Mittel auf ein heimtückische Art, wie sie dem Mediziner bekannt ist. Es handelte sich nicht, versteht mich recht, um ein Heilmittel. Es war das Siegel zu dem, was vorangegangen war, etwas; das unwiderruflich sicherstellte, daß Marivals Augen diese Welt nie mehr sehen würden. Es war auch der erste, bedeutende Schritt für die Einbalsamierung. Sein bestes Experiment soweit. Und als sie ganz sicher tot war, meine Freunde, setzte Naldinus auch den zweiten Gedanken in die Tat um. Er tat mit Marival, was er schon immer hatte tun wollen, was aber sein Amt ihm nicht erlaubte, solange sie lebte.«
    Radri und Jolan erhoben sich mit den in solchen Situationen angebrachten krampfhaften Schreien. Sabara lag zusammengerollt auf ihrem Sessel und sagte nichts. Naldinus glitt zurück, bis seine Schultern gegen die Wand der Grabkammer stießen.
    »Ich schlitze dir den Wanst auf«, sagte Radri zischend. »Ich stopfe dir deine Eingeweide in deinen widerlichen Mund -«
    »Ich glaube«, bemerkte Cyrion mit leiser, kalter Stimme, die die Männer mitten in der Bewegung erstarren ließ, »Ihr vergeßt die Sinnlosigkeit einer solchen Handlung. Und ich möchte Euch erinnern, edle Herren und edle Dame, daß Ihr alle ein hinterlistiges Verbrechen an der Frau auf dem Bett begangen habt. Keiner von Euch hat das Recht, gegen den anderen die Waffe zu erheben. Außerdem ist bisher Euer Omen ausgeblieben, das erlösende Zeichen, das Euch, wie ich nur vermuten kann, von dem ruhelosen Geist Marivals versprochen wurde.«
    Radris unbefriedigte Wut richtete sich jetzt gegen Cyrion.
    »Da habt Ihr es - kein Omen. Bestimmt ist das alles nichts weiter als ein Sack voll Lügen, die Ihr Euch ausgedacht habt, um unseren Zorn von Euch abzulenken. Ich habe Euch nie als Richter anerkannt, ebenso wenig wie Sabara. Und wenn Jolan es getan hat, nun, der ist verrückt. Wie konntet Ihr es wagen, uns einen solch albernen Mist aufzutischen! Wir alle vier haben Marival vergiftet! Wie seid Ihr bloß darauf gekommen?«
    »Jedem von Euch stand die Schuld im Gesicht, und Ihr alle hattet einen Grund für das Verbrechen«, erklärte Cyrion leichthin. »Dazu kam noch Euer Bekenntnis, daß

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