Cyrion
floß.
Der Mann, der wie alle Engelsritter der westlichen Rasse entstammte, war beinahe so blond wie Cyrion selbst. Das Blut wirkte eindrucksvoll, als es über sein Gesicht strömte, aber offensichtlich spürte er trotz der bösen Wunde, die er sich zugefügt hatte, keine Schmerzen. Das, in Verbindung mit seinem ganzen Gehabe, bewies, daß er das war, was Cyrion vermutet hatte - einer der berüchtigten, durch Magie geschützten Assassinen - und nach seinen eigenen Angaben auf dem Weg nach Klove.
Sobald er außer Sichtweite war, in Cyrions Kleidern, aber auf seinem eigenen weißen Pferd, erwachte Cyrion wieder zum Leben.
Er hatte eine ziemlich genaue Vorstellung von dem, was da vor sich ging.
In Klove fürchtete man einen Assassinen und hatte Maßnahmen getroffen, um sich vor ihm zu schützen. Der Ritter, als er einen Mann traf, der ebenso hellhäutig war wie er selbst, hatte beschlossen, ihn leben zu lassen und seine Identität mit ihm zu tauschen.
Es war vorauszusehen, was ein Mann tun würde, der nackt und mit schmerzendem Kopf in der Wüste erwachte. Als erstes würde er die einzig schützende Kleidung anlegen, die ihm zur Verfügung stand, Kettenhemd und Waffenrock des Ritters. Und anschließend würde er seinen Feind nach Klove verfolgen und dort einen Aufruhr veranstalten. Woraufhin man ihn für eben diesen Feind halten und auf irgendeine verläßliche Art aus dem Weg räumen würde, zum Beispiel indem man von den Zinnen kochendes Pech auf ihn hinabschüttete. Der perfekte Sündenbock. Der wirkliche Mörder befand sich natürlich längst in Klove. Indem er den Namen des Sündenbocks benutzte und herumerzählte, er sei von einem verrückten Ritter angegriffen worden, konnte er sich Zutritt zur Festung verschaffen. Die Wunde an der Stirn, die ihm angeblich große Beschwerden verursachte, war noch ein zusätzlicher Beweis dafür, daß es sich bei ihm nicht um einen durch Magie unbesiegbar gemachten Assassinen handelte, der keinen Schmerz empfand. Endlich, wenn der falsche Ritter eingetroffen und beseitigt war, würde das Opfer des Meuchelmörders aus seinem Versteck hervorkommen und stracks dem Tod in die Arme laufen.
Natürlich hätte Cyrion sich jetzt in der entgegengesetzten Richtung davonmachen können, aber es widerstrebte ihm, eine Sache unvollendet zu lassen. Außerdem hatte der schlaue Ritter etwas übersehen. Seine Kleidungsstücke waren nicht die einzigen, die Cyrion zur Verfügung standen. Da war auch noch das Gewand des toten Taubenhalters.
Am Brunnen wusch Cyrion die Blutflecken aus dem Kleid und rieb es dann mit Schlamm, Sand und dem Ruß der verbrannten Hütte ein. Gegen den Riß im Rückenteil, wo das Schwert getroffen hatte, konnte er nichts tun, aber es mochte als weiterer Beweis für fromme Nachlässigkeit durchgehen. Als nächstes behandelte Cyrion sein Gesicht und die Haare mit dem Fett der geschlachteten Tauben und weißer und schwarzer Asche. Binnen kurzem hatte die Sonne sein Gesicht in eine faltige Maske und sein Haar in weißlichgraue Lumpen verwandelt.
In der Verkleidung eines heiligen Mannes und nicht eines Weißen Reiters kam Cyrion nach Klove und gewann das Herz des Dorfes mit seinen Geschichten. Die ganze Zeit konnte er sich vorstellen, wie der falsche Cyrion mit nägelkauender Ungeduld die Ankunft des richtigen erwartete.
In die Festung zu kommen, war leicht. Ein eindrucksvoller Anfall, die Behauptung, eine Vision gehabt zu haben. Zum Großmeister vorzudringen, hätte sich als schwierig herausstellen können, hätte Cyrion auf dem Weg nicht einen Wurm im Gehäuse entdeckt.
Der Weise hatte sich bereits des silbernen Beckens und Eimers des Großmeisters bedient. Der Großmeister saß wie betäubt und sah sich dieser unfaßlichen Gestalt gegenüber, die ihn gelassen betrachtete und so aussah, wie man sich den Engel vorstellte, dem zu Ehren der Orden der Taube gegründet worden war.
»Eure Taten sind unglaublich - und Eure Geschichte ist es noch mehr.«
»Dann glaubt sie«, empfahl Cyrion.
»Ich sehe mich gezwungen. Ihr, ein Fremder, scheint der einzige zu sein, dem ich vertrauen kann.«
»Oh, ganz so schlimm ist es nicht. Euer Meister Provinzial fürchtete sich, seinen Verrat offen vor Euren Männer zu üben.
Deshalb nehme ich an, daß sie Euch treu sind.«
»Und der Meuchelmörder ist in der Festung und gibt sich für Euch aus. Für das heiße Pech ist es zu spät, würde ich sagen. Gewöhnlich bitte ich nicht um Rat, aber dies eine Mal bleibt mir nichts anderes
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